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Aktuelle Meldung



18.07.2013 - Kategorie: LD online, ELKRAS

LD online: Irgendwie geht es weiter




Bischof Alfred Eichholz schreibt aus Kirgistan

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2013



Lutherischer Dienst 3/2013

Segnung einer kirgisischen Familie durch Bischof Eichholz – Bild: Eichholz

Bischof Alfred Eichholz mit Frau Larissa und Christina. – Bild: Eichholz

Seit langer Zeit ist der Martin-Luther-Bund eng verbunden mit der Entwicklung der Evange­lisch-Lutherischen Kirche in Kirgistan. 2011 konnte Generalsekretär Dr. Rainer Stahl eine Reise dorthin unternehmen, über die wir im »Lutherischen Dienst« 4/2011 ausführlich berichtet haben. Deswegen möchten wir den letzten Brief von Bischof Alfred Eichholz, der darin die aktuelle Lage der Kirche und seine Sorgen schildert, hier für unsere Leser wiedergeben. Wir tun das auszugsweise und mit freundlicher Genehmigung der Kirchlichen Gemeinschaft e. V. in Bad Sooden-Allendorf; dort war der Text im Rundbrief Nr. 2/2013 erschienen.

 

Liebe Missionsfreunde, liebe Brüder und Schwestern,

 

am Anfang möchten wir drei uns im Namen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kirgistan ganz herzlich bei euch bedanken für die Unterstützung unserer Arbeit im Jahre 2012 und auch bis jetzt.

Ihr habt bestimmt bemerkt, dass ich von uns drei in der Danksagung sprach. In diesem Zusammenhang möchte ich als Erstes mit Apostel Paulus ausrufen (Röm 11,33): »Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege«. Viele von euch wissen vielleicht, dass wir als Ehepaar 31 Jahre lang kinderlos waren. Als wir den Kinderwunsch auf Grund unseres Dienstes und Alters aufgegeben haben, hat Gott für uns ein Mädchen vorbereitet, um welches wir uns kümmern sollen. Ein Mädchen, das in ihren acht Lebensjahren einen besonderen Weg erleben musste. Die leibliche Mutter wollte sie nicht haben und hat sich gleich nach der Geburt von ihr getrennt. Bis zum Alter von siebeneinhalb Jahren wurde sie von einer Pflegemutter erzogen. Und dann passierte etwas ganz Schreckliches. Im Bewusstsein, dass ihre leibliche Mutter sie verstoßen hatte, musste sie am Sarg ihrer Pflegemutter stehen, die in ­Folge einer Zuckerkrankheit verstorben ist. Danach musste sie von einem Platz zum anderen wandern, in der Angst, dass sie ins Kinderheim kommt, und in ständiger Erwartung: Was wird demnächst kommen? In dieser ihrer Erwartung hat Gott an seine zwei Diener gedacht, die in seinem Auftrag in Kirgistan unterwegs sind. Ob sie noch den Wunsch haben, Kinder zu haben? … Uns beiden wurde klar: Dieses Mädchen soll in unsere Familie kommen. Seit Mai 2012 ist sie bei uns im Haus. Übrigens: Als Larissa und ich 1981 geheiratet haben, waren wir uns einig, wenn wir von Gott eine Tochter geschenkt bekommen, soll sie Christina heißen. Unser Wunsch ist nach 31 Jahren in Erfüllung gegangen. Sie heißt Christina.

 

Wie geht es uns als Kirche?

Auch hier sind wir Gott sehr dankbar für seine (uns oft unbegreiflichen) Wege. Er führt seine Kirche und vermehrt sie auch auf verschiedene Weise. Die Situation, in der alle christlichen Kirchen in Kirgistan stehen, macht auch uns große Sorgen. Die Auswanderung der europäisch-stämmigen Christen hält noch an, und die Gemeinden erleben momentan eine enorme Schrumpfung. Die Fragen: »Wie geht es weiter? Wie sollen wir in dieser Situation reagieren? Was sollen wir vielleicht anders machen?« beschäftigen uns bei jeder Mitarbeiterversammlung sehr. Und auf die Frage: »Wie geht es weiter?«, haben wir meistens keine deutliche Antwort. Uns bleibt oft nur eins, mit dem Apostel Jakobus zu sagen: »Wenn der Herr will und wir am Leben bleiben, werden wir dies und das tun« (Jak 4,15). In den letzten drei Jahren haben wir ganz deutlich gesehen, dass Gott noch will, dass wir in Kirgistan arbeiten und Menschen zu Gott rufen. Trotz des 2009 verabschiedeten (ganz schlimmen) Religionsgesetzes konnten wir das Evangelium predigen, und Menschen kamen zum Glauben. Es ist noch Gnadenzeit. Aber der Feind Gottes möchte nicht, dass Menschen gerettet werden, darum versucht er immer wieder, die Diener Gottes daran zu hindern, das rettende Evangelium den Menschen zu sagen. In letzter Zeit wird von dem Gesetzgeber wieder eine Verschärfung oder Umsetzung des Gesetzes angestrebt. Das verunsichert uns momentan. Und im Raum steht wieder die Frage: »Wie geht es weiter?« Wir bitten um Fürbitte.

Auch auf die Frage »Wie sollen wir in unserer Situation reagieren?« versuchen wir, eine Antwort zu finden. Für uns Aus­länder wird es immer schwieriger, ein Aufenthaltsvisum zu bekommen. Jedes Vierteljahr müssen wir neu einen Antrag stellen oder ins Ausland ausreisen und wieder einreisen. Genauso ist es mit den Mitarbeitern der Liebenzeller Mission. Auch mit der Arbeitserlaubnis ist es sehr schwierig geworden. Seit sieben Monaten habe ich keine Arbeitserlaubnis mehr für religiöse Tätigkeiten. Aber es geht irgendwie weiter? … Wir bitten um Fürbitte!

 

Und zum Schluss: »Was sollen wir vielleicht anders machen?«

Uns ist es ganz klar, dass die Zeit der öffentlichen Evangelisation in unserem Land schon vorbei ist und wir nicht mehr in großen Veranstaltungen das Evangelium predigen können. Deshalb ist das Predigen meistens auf Gottesdienste in den Versammlungsorten beschränkt. Aber Gott hat uns noch Möglichkeiten gezeigt, die auch ganz effektiv wirken können. Das ist die soziale Arbeit. Es gibt in Kirgistan noch viele Menschen, die dringend Sozialhilfe brauchen. Unsere Aufgabe wäre, diese Hilfe im Namen unseres Herrn Jesus Christus zu leisten. Die praktische Ausübung der Liebe Gottes ist auch eine großartige Möglichkeit, das Evangelium weiter zu sagen.

Zum Beispiel: Schon über ein Jahr können wir mit Hilfe von Geschwistern aus Deutschland ein Projekt für behinderte Kinder durchführen. Wir haben eine Tages­stätte eingerichtet. An fünf Tagen in der Woche von morgens bis nachmittags küm­mern sich unsere Mitarbeiter um behin­derte Kinder, die solche Hilfe nirgendwo sonst bekommen könnten. Wir versorgen sie mit medizinischer Hilfe, auch Schulkenntnisse werden diesen Kindern vermittelt. Zwei Lehrer aus der Schule am Ort kommen ganz offiziell für etliche Stunden am Tag und geben den behinderten Kindern Unterricht. Die Eltern sind sehr dankbar für diese Hilfe. Die Kinder sind meist nicht aus christlichen Familien.

Unsere »Küche auf Rädern« ist seit Jahren ein gutes Projekt und Zeichen für Gottes Barmherzigkeit. Die Empfänger sind sehr dankbar. Da sehen wir die Er­füllung der Mission, wenn Menschen ge­lehrt wird, Gott für seine Barmherzigkeit zu danken.

Noch ein wichtiges Projekt machen wir seit zwei Jahren: Wir versuchen, Waisenkindern ins Erwachsenenleben zu helfen, wenn sie nach dem Schulabschluss die Kinderheime verlassen müssen. Das Problem liegt darin, dass sich für diese jungen Menschen keiner mehr verantwortlich fühlt, auch der Staat nicht, so dass die Waisenkinder keine Starthilfe in ein Leben in einer normalen Gesellschaft bekommen. Daher ist es so, dass die Mädchen oft in der Prostitution landen und die Jungen kriminell werden und ins Gefängnis kommen. Uns ist es in den letzten zwei Jahren mit Gottes Hilfe gelungen, vielen zu helfen – einigen durch Vermittlung einer Lehrstelle, anderen mit Arbeit oder Wohnungsmöglichkeit. Und zu unserer Freude sind etliche von ihnen gläubig geworden. Natürlich braucht man für diese sozialen Projekte Finanzmittel. Aber auch an dieser Stelle möchten wir allen Lesern des Rundbriefes, des »Lutherischen Dienstes« und den Spendern einen ganz herzlichen Dank aussprechen für die langjährige Unterstützung! Diese Investition ist sehr wichtig! Ihre Gelder sind gut angelegt! Sie sind uns eine große Hilfe für die Verbreitung des Evangeliums. …

Wir »befehlen euch alle dem Herrn und dem Wort seiner Gnade«.

Eure Alfred, Larissa und Christina

Alfred Eichholz, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kirgistan

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2013. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten – über die Situation lutherischer Gemeinden im Norden Polens, über das neue Gemeindezentrum in Nová Dubnica in der Slowakei, über zwei frühere Bewohner der Studierendenheime des Martin-Luther-Bundes aus Brasilien oder über die Ergebnisse der Volkszählung in Ungarn und ihre Bedeutung für die Evangelisch-Lutherische Kirche dort –, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.