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Aktuelle Meldung



15.05.2009 - Kategorie: LD online, Slowenien, Diasporagabe

LD online: Der Reformator auf dem Euro




Slowenien und seine Protestanten

 

von Dorothea Frauböse

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2009, Sondernummer »Slowenien«.



Lutherischer Dienst 2/2009

Truber-Büste an seinem Geburtshaus in Rašica – Foto: Fónyad

Die reguläre Ein-Euro-Münze Sloweniens …

…  und die Zwei-Euro-Gedenkmünze.

Die Geschichte und die Entwicklung der evangelischen Kirchen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien weisen in vielen Punkten gewisse Parallelen auf, im Blick auf die heutige Situation sind jedoch große Unterschiede erkennbar. Denn lediglich in dem kleinen Staat Slowenien, dessen Bewohner sich schon immer als Grenzgänger zwischen den Nationalitäten und Kulturen betrachtet haben, ist ein deutlich spürbarer Einfluss der Evangelischen Kirche A.B. auf die kulturelle Entwicklung des jungen Staates zu konstatieren. Dies mag nicht zuletzt etwas damit zu tun haben, dass sich der Staat und eben auch die Evangelische Kirche nach dem Zerfall Jugoslawiens schnell organisiert haben und dass bereits bestehende Strukturen nicht durch langanhaltende kriegerische Auseinandersetzungen zerstört wurden und wieder neu aufgebaut werden mussten.

 

 

Deutsche in Slowenien und slowenische Protestanten

 

Schon seit der Reformation war der Einfluss aus Deutschland und der Schweiz auf die theologischen Strömungen in Slowenien sehr groß. Aufgrund der geringen Verbreitung ihrer Muttersprache mussten sich Slowenen unter Verwendung von Fremdsprachen fortbilden, und dies geschah dann zumeist auf Deutsch. Gleichzeitig gab es durch die erneute Ausweitung des Habsburger Einflusses viele Österreicher und Deutsche, die im Lauf der folgenden Jahrhunderte in das slowenische Staatsgebiet zogen, unter ihnen auch Christen evangelischer Konfession. Nachdem es für sie lange Zeit keine Möglichkeit gab, ihren Glauben wirklich offen zu leben, kam es Mitte des 19. Jahrhunderts nach vielen Jahren der Improvisation des Gemeindelebens zu einem Kirchenbau der Protestanten in Ljubljana. Die dort tätigen Pastoren waren Deutsche, und auch in den Jahren bis 1918 war die Sprache der Gemeinde weitestgehend Deutsch.

 

Zwar gab es nach wie vor auch slowenischsprachige Protestanten, besonders im Gebiet der Prekmurje, jedoch kann man aus den im Archiv in Ljubljana gelagerten Dokumenten ersehen, dass diese aus deutscher Sicht so etwas wie Protestanten »zweiter Klasse« gewesen sein müssen. Die Gemeinde in Ljubljana bezeichnete sich intern als »Deutsche evangelische Auslandsgemeinde Augsburger und Helvetischer Konfession«. Es kam zu einer Identifikation des Protestantismus mit dem »Deutschtum« auf diesem Gebiet, so dass konfessionelle und nationale Abgrenzung miteinander einhergingen. Nach der Gründung des Jugoslawischen Königreiches 1918 wurde die Situation der Protestanten schwieriger, denn »der Slowene« galt als römisch-katholisch, also waren die Protestanten, die »Deutschen«, nun nicht mehr erwünscht.

 

Man kann sagen, dass es in diesen Jahren zu einer Verkehrung der bisherigen Zusammenhänge gekommen war: Während für die katholischen Habsburger im 17. und 18. Jahrhundert das National-Slowenische und der Protestantismus durch die Schaffung der slowenischen Schriftsprache eng miteinander zusammenhingen, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts Deutschtum und Protestantismus eng miteinander verknüpft worden, so dass die römisch-katholische Kirche nun für das National-Slowenische stand.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die evangelische Gemeinde in Ljubljana ebenso wie das gesamte evangelische kirchliche Leben zunächst verboten, weil es ja zumeist »deutsch« gewesen war. Erst in den achtziger Jahren konnte sich zumindest in Ljubljana wieder eine kleine evangelische Gemeinde bilden, die den Kirchraum nutzen durfte. Diese bestand aus slowenischsprachigen Protestanten, die allein in der Prekmurje überlebt hatten und nun berufsbedingt nach Ljubljana gezogen waren.

 

 

Evangelisches Leben in der Republik Slowenien

 

Da in Slowenien nur eine katholisch-theologische Fakultät existiert, ist die evangelische Kirche gezwungen, ihre Theologinnen und Theologen im Ausland ausbilden zu lassen. So studieren die angehenden Pastorinnen und Pastoren zumeist in Bratislava/Slowakei, Erlangen, Tübingen oder auch Zagreb/Kroatien. Dies führt dazu, dass die Pastorinnen und Pastoren min­destens eine Fremdsprache sehr gut beherrschen und darüber hinaus Besonderheiten der eigenen kirchlichen und gesellschaftlichen Traditionen genau kennen, weil sie die direkte Vergleichsmöglichkeit mit anderen Kirchen und Traditionen haben.

 

Wichtig ist der Evangelischen Kirche in Slowenien, Veranstaltungen mit Symbolcharakter durchzuführen oder durch ein in gewisser Weise auffälliges Verhalten Öffentlichkeit zu erzeugen. Dies ist unter anderem damit gelungen, den Posten des ersten evangelischen Militärseelsorgers mit einer jungen Frau zu besetzen. Natürlich berichtet darüber die slowenische Presse sehr gern.

 

Und man kann sagen, dass es fast ein Geniestreich der Evangelischen Kirche war, nach der Gründung der Republik den Reformationstag als staatlichen Feiertag durchzusetzen. So gibt es jedes Jahr am Vorabend zum 31. Oktober einen im Fernsehen übertragenen Festakt in Ljubljana, in dem durch künstlerische Gestaltung und Reden der intellektuellen und politischen Elite des Landes auf die Bedeutung des slowenischen Reformators Primus Truber für das Land hingewiesen wird.

 

Durch diese alljährlich stattfindende Zeremonie ist zumindest der Name Trubers wirklich jedem Bürger bekannt. Dies ist umso bedeutender, als es aufgrund der Trennung von Kirche und Staat keinen schulischen Religionsunterricht gibt. Die evangelischen Schülerinnen und Schüler erhalten diesen am Wochenende von den Pastorinnen und Pastoren ihrer Gemeinde. Wer konfessionslos ist oder einer anderen religiösen Gruppierung angehört, begegnet also nur durch den staatlichen Feiertag oder mit einem Blick auf die heutige Ein-Euro-Münze dem Begründer der slowenischen Schriftsprache.

Eine weitere Möglichkeit der evangelischen Kirche, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, ist die Nutzung von Radio- und Fernsehrechten, die den drei großen christlichen Konfessionen proportional ein­geräumt werden. Kurze Ansprachen, vergleichbar mit unserem »Wort zum Sonntag«, werden regelmäßig aufgenommen, desgleichen kurze Radioandachten. Diese Sendungen werden von einem großen Publikum gehört und gesehen und haben somit Einfluss auf die Wahrnehmung der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit.

Ein wichtiges Instrument zur Publikation evangelischer Schriften ist die Ökumenische Bibelgesellschaft. Diese wurde vor etwas mehr als fünfzehn Jahren gegründet, und durch sie versuchen die drei großen christlichen Konfessionen gemeinsam, slowenischsprachige bzw. ins Slowenische übersetzte christlich-theologische Werke überhaupt in den Buchhandel gelangen zu lassen, der natürlich in einem Land mit nur zwei Millionen Einwohnern so ganz anders aussieht als der deutsche Büchermarkt. Natürlich gibt es slowenischsprachige Literatur, allerdings sind schon die Preise für Bestseller sehr viel höher als bei uns, von theologischen Fachbüchern einmal ganz abgesehen. Viele Bücher zu besitzen ist in Slowenien ein Zeichen echten Reichtums, und es ist schwer, für die wenigen Pastoren und interessierten Ge­meindeglieder erschwingliche Literatur herauszugeben. Das jährlich erscheinende »Evangelische Jahrbuch« (Evangeličanski koledar) und das monatlich erscheinende Gemeindeblatt aller Kirchengemeinden (Evangeličanski List) sind deshalb wichtige Kommunikationsträger der evangelischen Gemeindeglieder untereinander.

 

Ein weiterer Versuch, unmittelbar Einfluss auf die kirchlichen Angelegenheiten Sloweniens zu nehmen, ist die Mitgliedschaft in der »Ökumenischen Konferenz christlicher Kirchen«, an der Vertreter der römisch-katholischen, der evangelisch-lutherischen und der Serbischen Orthodoxen Kirche sowie als Beobachter auch Vertreter der stetig wachsenden Pfingstkirchen teilnehmen. Diese Konferenz hat jedoch bisher mehr informativen als beschließenden Charakter.

 

 

Schlussbemerkungen

 

Die Evangelische Kirche und der slowenische Staat profitieren heute stark voneinander. Während der junge Staat auf der Suche nach seiner Identität ist, kann die Evangelische Kirche unter Rückverweis auf Primus Truber eine Identifikationsfigur anbieten und ihre eigene Bedeutung für die Identität des Landes damit hervorheben. Es ging in den letzten Jahren in der jungen Republik Slowenien beständig um die Frage nach dem genuin »Slowenischen«. Und so wird es von dem evangelischen Teil der Bevölkerung mit großer Genugtuung empfunden, dass der Reformationstag staatlicher Feiertag ist, denn schließlich hat der Reformator Primus Truber ja Entscheidendes zur Identität Sloweniens beigetragen.

 

Auch die Slowenische Kirche A.B. befindet sich m.E. in einer Phase des Umbruchs. Nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer kommen aus verschiedenen Generationen mit sehr unterschiedlichen Lebens- und Glaubenserfahrungen, auch die Menschen in den Gemeinden befinden sich auf der Suche nach ihrer Identität.

 

Gesamtgesellschaftlich betrachtet sind Theologen und Theologinnen in Slowenien etwas Besonderes. Ihr Auftreten und ihre Äußerungen in der Öffentlichkeit sind entscheidend dafür, ob Kirche in dem neuen slowenischen Staat und vor allem bei den slowenischen Jugendlichen ernst genommen wird.

 

Das Auseinanderbrechen von Dorfgemeinschaften durch die Abwanderung der Jugend in die Städte und ins Ausland und damit auch der Verlust von Dorfkulturen der Nachbarschaftshilfe und des Gemeinschaftsgefühls sind große Herausforderungen für alle christlichen Kirchen in Slowenien. Dabei wird es umso wichtiger, von dem bisher praktizierten durchaus hierarchischen Prinzip, das auch in den evangelischen Gemeinden überwiegend vorherrscht, Abstand zu nehmen und die Gemeindeglieder als kompetente Mitarbeiter mündig werden zu lassen. Nur so kann die evangelische Kirche ihren Einfluss in der Gesellschaft, auf das Zusammenleben der Menschen und auf die slowenische Kultur stärken und den Einfluss, den sie aufgrund der Bedeutung Primus Trubers in der Geschichte des Landes gehabt hat, auch konstruktiv wahrnehmen.

 

 

Dorothea Frauböse ist Pastorin im Kirchenkreis Segeberg. Wir veröffentlichen diesen gekürzten Beitrag mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Peter Maser, Ostkirchen-­Institut Münster. Die vollständige Fassung erschien unter dem Titel »Evangelische Kirche(n) und Kultur im ehemaligen Jugoslawien am Beispiel der Slowenischen Kirche A.B.« bereits in »Beiträge zur ostdeutschen Kirchengeschichte«, Folge 8, und im Jahrbuch des MLB 2009.

 

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2009, Sondernummer »Slowenien«. Wenn Sie die weiteren Artikel mit weiteren Informationen über Land und Leute und die evangelisch-lutherische Kirche in Slowenien lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.