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Aktuelle Meldung



15.11.2021 - Kategorie: ELKRAS

UKRAINE: Die Kirche kommt zurück!




Endlich, nach zahlreichen Gerichtsverfahren, wurde am 15. Mai 2021 Bischof Pawlo Schwarz als Leiter der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) auch auf staatlicher Seite offiziell registriert.

 

Grundlage war neben den Gerichtsverfahren eine Reform des Verfahrens zur staatlichen Registrierung von Religionsgemeinden und -vereinigungen in der Ukraine. Ein neu geschaffenes Organ – der Staatliche Dienst der Ukraine für ethnische Politik und Bekenntnisfreiheit – bestätigte die Anerkennung der Wahlen der Synode von 2018 und 2019. Damit begann der Prozess der Rückkehr der Kirche, der auch die frühere Zentrale der Kirche in Odessa einschließt.



Eine Taufe ist immer ein Zeichen der Hoffnung. Das Bild entstand beim Gottesdienst am 15. August in Odessa. – Bild: Gross

Die Kirche in Odessa – Bild: DELKU

Die vom Martin-Luther-Bund unterstützte Renovierung der Kellerräume in Petrodolinske ist abgeschlossen. Von dem desolaten Zustand, in dem sich die Räume vorher befanden, ist nichts mehr zu sehen. – Bild: Gross

Zur Erinnerung: Bereits im Jahr 2018 hat die Mehrheit der DELKU-Gemeinden Serge Maschewski das Misstrauen ausgesprochen und ihn des Amtes als Bischof enthoben. Als neuer Leiter der Kirche und des Kirchenamts (Episkopats) wurde Pawlo Schwarz gewählt und bereits damals auf legalem Wege im staatlichen Register eingetragen. Auf undurchsichtigen Wegen tauchte Maschewskis Name einige Tage später erneut im Register als Leiter des Kirchenamts der DELKU auf. Somit erhielt er die Kontrolle über die Immobilien der Kirche, da diese in früheren Zeiten alle auf das Kirchenamt überschrieben worden waren. Durch diese Situation ging dem rechtmäßigen Bischof Pawlo Schwarz (den in dieser Funktion sowohl das Kultusministerium der Ukraine als auch die lutherische Weltgemeinschaft anerkannt hatten) und der Mehrzahl der DELKU-Gemeinden die Kontrolle über die kirchlichen Räumlichkeiten und sonstiges Kircheneigentum verloren, welches eigentlich der Verkündigung von Gottes Wort dienen sollte.


Die Gemeinden in Peterstal, Saporischschja, Krywyj Rih, Bila Zerkwa und Poltawa wurden aus ihren Gemeinderäumen hinausgeworfen. Gott sei Dank kam das kirchliche Leben dennoch nicht zum Erliegen, da die Kiewer St.-Katharinen-Kirche und die Christi-Erlöser-Kirche in Berdjansk sowie die Gebäude in Schlangendorf und Charkiw aus unterschiedlichen Gründen nicht ins Eigentum des Kirchenamts übergeben worden waren. Und die Gemeinden in Nowohradiwka, Schostka und die St.-Martins-Gemeinde in Kiew waren ohnehin daran gewöhnt, ohne eigene Räumlichkeiten auszukommen. Allerdings traf es in Zeiten strenger Quarantänebestimmungen gerade jene Gemeinden besonders hart, die Räume für Gottesdienste mieten mussten. Vieles war oft schlicht unmöglich.


Das Eigentum, über das Maschewski wieder die Kontrolle erlangt hatte, wurde entweder verkauft, wie dies mit den Dienstwohnungen in Odessa, Charkiw und Berdjansk und den Kirchenräumen in Saporischschja geschah, oder es wurde so heruntergewirtschaftet, dass man es bei der Rückkehr in einem bedauernswerten Zustand vorfand. Einige Gemeinden unterstützten Maschewski einfach deswegen weiter, weil sie befürchteten, ebenfalls ihre Räumlichkeiten zu verlieren.

 

Petrodolinske machte den Anfang


Als erste kehrte die Gemeinde in Peterstal (Petrodolinske) in ihre kirchlichen Räumlichkeiten zurück. Nach vier Wochen intensiver Reparaturarbeiten an den Versorgungsleitungen und der Wiederherstellung eines ordentlichen Erscheinungsbildes wenigstens des Gottesdienstraums konnte die Gemeinde am 27. Juni ihre Rückkehr mit einem Festgottesdienst feiern.


Zwei Tage später, am 29. Juni, erlangte die DELKU die Kontrolle über den Kirchenkomplex in Odessa zurück. Zuvor hatten Bischof Schwarz und die Kirchenleitung sich mehrmals direkt sowohl an Maschewski als auch an die Mitarbeiter der Kanzlei und an den Gemeinderat von St. Paul gewandt und zum Dialog aufgerufen. Doch alle Gesprächsangebote wurden ausgeschlagen. Deswegen beschloss die Kirchenleitung, ihre Eigentumsrechte durchzusetzen, um Zugang zu den Büroräumen und den Dokumenten zu erlangen. Dabei kam es zu Provokationen durch Maschewski und seine Anhänger, die versuchten, sich im Büro der Kanzlei zu verbarrikadieren, und das Wachpersonal angriffen, als sie aus dem Gebäude geführt wurden.


Die DELKU-Kirchenleitung übernahm die Verantwortung für die Wiederherstellung der Gottesdienste in Odessa und ernannte Alexander Gross zum einstweiligen Pfarrer der Gemeinde. Bischof Schwarz berief außerdem in Ausübung seiner satzungsgemäßen Rechte für den 1. August 2021 eine Gemeindeversammlung ein, auf der die Lage geklärt werden sollte. Er bot allen, denen die Gemeindemitgliedschaft unrechtmäßig entzogen worden war, an, sich an ihn zu wenden, um ihre Rechte als Gemeindeglieder wiederherzustellen.


In der gleichen Woche kehrte die Gemeinde in Bila Zerkwa in ihr Gemeindehaus zurück, kurz darauf auch die Gemeinde in Kriwyj Rih. Während in Bila Zerkwa nur das Grundstück um das Gemeindehaus verwahrlost war, fand man in Kriwyj Rih extreme Spuren der Verwüstung – dort hatte ein Angehöriger eines Maschewski-Mitstreiters gehaust.


Nun kehrten auch die ersten Gemeinden zurück, die Maschewski bisher unterstützt hatten, weil sie Angst hatten, ihre Räumlichkeiten zu verlieren. So wurden die Beziehungen mit der Gemeinde der Stadt Oleksandriia im Gebiet Kyrowograd wiederaufgenommen. Auf Anweisung des Bischofs wird sie nun von Pastor Oleg Fischer betreut.

 

Die Wunden sind noch offen


Die Rückkehr ist noch lange nicht abgeschlossen. Der Gemeinde in Poltawa ist es bis jetzt noch nicht gelungen, nach Hause zurückzukehren. Die Gemeinden in Lwiw, Winnyza, Dnipro und Cherson, die Räumlichkeiten der DELKU benutzen, entziehen sich weiterhin (Stand Mitte Juli 2021) dem Dialog. Auf gleiche Weise verhalten sich auch die Gemeinden in Luzk sowie in der Stadt Losowa im Gebiet Charkiw. Eine besondere Situation besteht in Mykolajiw, wo die Gemeinde schon lange den Kontakt mit der DELKU verweigert, obwohl sie weiterhin Teil der DELKU ist.


Vor dem Bischof und der Kirchenleitung liegt noch viel Arbeit. Die Wunden, die Serge Maschewski der DELKU zugefügt hat, sind noch offen. Ihre Heilung braucht nicht nur Zeit und menschliches Bemühen, sondern auch die Hilfe Gottes. »Deswegen müssen wir alle lernen, zu verzeihen und jene anzunehmen, die sich von uns unterscheiden – die eine andere Meinung haben, ein anderes Temperament und andere Lebenserfahrungen, andere Verletzungen erlebt haben oder einfach unglücklicherweise ›auf der falschen Seite‹ des Konflikts standen«, so Bischof Pawlo Schwarz.


Diese Zeit der Prüfungen hat gezeigt, dass die DELKU Reformen braucht, die die Probleme lösen, die zur Spaltung geführt haben: Unkenntnis der eigenen theologischen Lehren und kirchlichen Traditionen, Fehlen einer gemeinsamen Vision von der Zukunft der Kirche, Intransparenz, eine Kommunikationskrise u.a. führten zu tiefem Misstrauen untereinander. Als »Fahrplan « für die erforderlichen Reformen dient ein Dokument, das die Synode der DELKU im Jahr 2020 beschloss.


Am Anfang der Aktivitäten in Odessa stand ein Audit, eine Überprüfung der Tätigkeit von Serge Maschewski und der vorherigen Kirchenleitung. Bereits die ersten Ergebnisse schockierten. Erstens stellte sich heraus, dass Maschewski und seine Frau Elena Hetman im Jahr 2020 drei Wohnungen im Zentrum von Odessa erworben hatten. Die Dokumente liegen vor und sind veröffentlicht. Zweitens überwies Maschewski, als er von dem Wechsel in der Leitung des Kirchenamts erfuhr, er aber noch unterschriftsberechtigt war, schnell noch auf verschiedene externe Konten höhere Summen von insgesamt mehr als zwei Millionen Ukrainischen Griwna (ca. 60.000 Euro). Die zivil- und strafrechtliche Verfolgung dieser ungeheuren persönlichen Bereicherung wurde in die Wege geleitet.

 

Am 1. August besuchte Bischof Schwarz die Deutsche Evangelisch-Lutherische Gemeinde in Odessa, um Gottesdienste mit der Heiligen Kommunion abzuhalten und das außerordentliche Treffen zu leiten, das er aufgrund der Krise in der Gemeinde einberufen hatte.


Da die Reparaturen in der Kirche noch andauerten, fand die Andacht im Saal des Pastorenhauses statt, wo die Gemeinde seit vielen Jahren während des Wiederaufbaus ihrer Kirche zusammenkam.

 

»Es ist nie zu spät, sich zu ändern«


Bischof Schwarz hielt die Predigt über den Text von Matthäus 7,24–27. »Das Christentum ist keine Theorie, die betrachtet und geschätzt werden kann. Das Christentum ist in erster Linie eine Praxis. Sie müssen vollständig eintauchen und ein Teil davon werden, um das Ergebnis zu sehen. Und die Gute Nachricht für alle ist, dass es nie zu spät ist, sich zu ändern. Es ist nie zu spät, nicht nur Gottes Gnade für das Heil zu empfangen, sondern auch die Kraft, sich zu ändern und anders zu werden, einschließlich einer anderen Gemeinschaft« – mit diesen Worten inspirierte der Bischof die Gemeinde, die Grundsätze des christlichen Glaubens umzusetzen.


Nach dem Gottesdienst fand eine außerordentliche Versammlung statt, an der 39 von 71 Mitgliedern teilnahmen. Das Wahlrecht, das vielen lutherischen Gemeindegliedern in Odessa 2015 und später illegal entzogen wurde, wurde ihnen zurückgegeben. Pawlo Schwarz berichtete über den Stand der Dinge in der DELKU rund um die Gemeinde und Kirche. »Vieles befindet sich in einem schlechten Zustand und muss rekonstruiert werden. Aufgrund der Tatsache, dass Hunderttausende von Griwna illegal aus dem Haushalt der DELKU abgezogen wurden, befindet sie sich in einer schwierigen finanziellen Situation.« Am Ende skizzierte der Bischof seine Vision einer Lösung des Konflikts und weiterer Beziehungen zwischen der Gemeinde und dem Episkopat.


Die Versammlung wählte einen neuen Gemeinderat. Neu gewählte Mitglieder sollten dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit dieses Gremiums wiederherzustellen und die Kommunikation mit den Mitgliedern zu verbessern. Das Treffen wählte auch eine neue Zusammensetzung der Prüfkommission und bestätigte die Befugnisse von Oleksandr Shakun als Diakon für die Gemeinde Odessa.


Die Gemeinde St. Paul in Odessa fand schließlich die Möglichkeit, Gottesdienste und andere Veranstaltungen in der Kirche zu halten. Leider war das Brandschutzsystem unbrauchbar gemacht worden. Die Gemeinde durfte bis zur Instandsetzung der Anlage keine Massenveranstaltungen abhalten. Doch es wurde eine schnelle Lösung gefunden, die notwendigen Mittel für den Kauf neuer und die Reparatur defekter Geräte konnten aufgebracht werden. Bereits am 15. August fand der Gottesdienst der Gemeinde statt, den Pfarrer Alexander Gross hielt. In seiner Predigt enthüllte er das Thema Gnade und ihre Rolle im Leben jedes Gläubigen.


Während der Liturgie wurde eine große Osterkerze aufgestellt – ein Geschenk der Partner aus dem Dekanat Regensburg in Bayern. Der neue Gemeinderat, der nun für das lutherische kirchliche Leben in Odessa verantwortlich ist, wurde für den Dienst gesegnet. An diesem Tag fanden auch wieder Taufen statt.


Vieles ist noch zu tun, und die DELKU braucht weiter Fürbitte und Unterstützung auf ihrem Weg der Rückkehr und Erneuerung des kirchlichen Lebens. Aktuell hilft der Martin-Luther-Bund bei der Reparatur von Kellerräumen in Odessa und v.a. bei den bestehenden juristischen Herausforderungen.

 

 

Dieser Text wurde zusammengestellt aus verschiedenen Meldungen der DELKU, die Sie hier finden können:

» Pauls Gemeinde kehrte zur Kirche zurück (15.8.2021)

» Die De-Okkupation der Kirche (16.7.2021)

» Peterstal – Rückkehr nach Hause (28.6.2021)

» Nachricht von der Kirchenleitung (17.5.2021)