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Aktuelle Meldung11.11.2014 - Kategorie: LD online, ELKRAS
LD online: Gelungene VölkergemeinschaftTarutino feiert 200 Jahre deutsche Siedlungen in Bessarabien
von Arnulf Baumann
Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 4/2014 Am 30. 8. 2014 wurde in der kleinen Kreisstadt Tarutino im ukrainischen Teil des früheren Bessarabien, unweit der Grenze zur Republik Moldau, des zweihundertsten Jahrestags der Ankunft der ersten Siedler in dem seit 1812 zum Zarenreich gehörenden Gebiet gedacht. Die ersten deutschen Siedler, die einem Aufruf des Zaren Alexander I. gefolgt waren, kamen aus den Gebieten, die durch die napoleonischen Feldzüge stark geschädigt worden waren. Die Siedler bekamen nicht nur ein größeres Stück Land – 66 Hektar je Familie –, sondern auch Befreiung vom Wehrdienst und Glaubensfreiheit zugesagt und sie wurden einer Sonderverwaltung unterstellt, die ihnen weitgehende Selbstverwaltung zugestand. 1814 waren die ersten drei Siedlungen entstanden, denen noch 22 weitere folgten.
Das Jubiläum wurde unter Beteiligung von über hundert Gästen aus Deutschland, die großenteils familiäre Wurzeln in diesem Ort haben, gefeiert. Ein Teilnehmer war schon Wochen zuvor aus Japan angereist, wo er heute wohnt, um auf dem alten Friedhof die Grabsteine aus deutscher Zeit vom Gestrüpp zu befreien und wieder sichtbar zu machen. Auch die heutigen Bewohner der Stadt beteiligten sich in großer Zahl an den Feierlichkeiten.
Es begann für die deutschen Gäste mit einem Freiluftgottesdienst vor dem Kulturhaus, denn die frühere evangelische Kirche ist restlos verschwunden. Pastor i.R. Arnulf Baumann/Wolfsburg wies in seiner Predigt in Anlehnung an den Monatsspruch für August (»Singt dem Herrn alle Länder der Erde! Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!«, 1. Chronik 16,23) auf die Glaubenszuversicht der Voreltern hin, die sie befähigt hatte, in das ihnen ganz unbekannte Land zu ziehen und die enormen Anfangsschwierigkeiten durchzustehen. Diese Zuversicht bewährte sich 1940 nach der Umsiedlung der Bessarabiendeutschen noch einmal, als die Ansiedlung in Polen, die Flucht und die Nachkriegszeit neue große Not mit sich brachten.
An dem Gottesdienst war auch Bischof Sergej Maschewskij von der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine aus Odessa beteiligt, der sich in einer Kurzansprache an die Teilnehmer wandte, ein Fürbittengebet sprach und am Schluss den Segen in deutscher und russischer Sprache erteilte.
Anschließend fand die Festveranstaltung im Kulturhaus statt, in dem auch der Bundesvorsitzende des Bessarabiendeutschen Vereins, Diakon Günther Vossler aus Marbach, und sein Vorgänger, Dr. h.c. Edwin Kelm, zu Wort kamen sowie ein bessarabiendeutscher Spontanchor Lieder in Deutsch und Russisch vortrug. Der politischen Situation wurde dadurch Rechnung getragen, dass am Beginn eine Schweigeminute für die in der Ostukraine zu Tode Gekommenen stand. Ganz besonders gedachte man dabei eines jungen Mannes aus der Stadt Tarutino, der nur wenige Tage zuvor beerdigt worden war. Nach einer sehr emotionalen Bildsequenz war die Veranstaltung beendet. Alles stimmte in den Ruf ein: »Gott schütze die Ukraine!« und »Herr, erbarme dich über die Ukraine!«
Am Nachmittag fand die feierliche Übergabe eines Feuerlöschwagens aus Dettingen an der Erms (östliches Baden-Württemberg) an die örtliche Feuerwehr statt. Dies war durch einen Feuerwehrmann vermittelt worden, der aus einer bessarabiendeutschen Familie stammt. Die Dettinger Feuerwehr hatte das Fahrzeug gespendet, aber vor der Übergabe gab es leider noch ganz erhebliche Schwierigkeiten an den Grenzen, die jedoch dank des Einsatzes der schwäbischen Feuerwehrleute erfolgreich bewältigt worden waren. Jetzt verfügt die Tarutinoer Feuerwehr über eine für ihre Verhältnisse ganz erheblich modernisierte Ausrüstung und kann zukünftigen Einsätzen zuversichtlich entgegensehen.
An diesem Nachmittag wurde auch noch ein Denkmal eingeweiht. Seit jeher besteht ein gutes Einvernehmen der verschiedenen Völkerschaften in Bessarabien. Dies wurde durch das neue Denkmal erneut symbolisiert. Es stellt zwei aus dem Boden hervorkommende Hände dar, die ein Wappenschild halten, auf dem sowohl das Ortswappen als auch das Wappen der Bessarabiendeutschen angebracht sind. In die tragenden Arme sind viele Handabdrücke eingelassen, die andeuten sollen, dass damals wie heute viele Hände für das Gelingen des Gemeinschaftslebens nötig sind. Inschriften in vier Sprachen – Deutsch, Russisch, Englisch und Ukrainisch – erinnern an den Anlass der Errichtung des Denkmals. Gestaltet hatte es ein Bildhauer aus Odessa, finanziert wurde es durch Spenden von Nachkommen der früheren deutschen Bewohner.
An der Einweihung beteiligten sich nicht nur zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens mit Ansprachen, sondern auch Arnulf Baumann und Sergej Maschewskij mit kurzen Segensworten in deutscher und russischer Sprache.
Schließlich wurden im Gebäude des früheren deutschen Knabengymnasiums, das heute weitgehend leer steht, einige Räume eröffnet, die dem örtlichen deutschen Kulturverein ein Zuhause und den heutigen Bewohnern Informationen über die früheren deutschen Gründer und Bewohner des Ortes bieten sollen.
Es war ein festlicher Tag, allerdings überschattet von den Ereignissen im Osten der Ukraine, von wo inzwischen viele Flüchtlinge nach Tarutino gekommen sind.
Der Autor dieses Beitrags, Pastor i.R. Arnulf Baumann, lebt in Wolfsburg und ist ehemaliger Bewohner des Theologenheims des Martin-Luther-Bundes.
Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 4/2014. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten – etwa ein Bericht über den 31. Internationalen Deutschkurs des Martin-Luther-Bundes in Erlangen, über eine »Lutherstube« in Minsk und eine neue Orgel in Grodno (beides in Weißrussland), ein Interview mit Jaan Tammsalu, dem Propst in Tallinn (Estland) oder eine Bibel-Ausstellung in Buenos Aires (Argentinien), bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.
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