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Aktuelle Meldung



16.10.2012 - Kategorie: Lettland, LD online

LD online: Was ich tun kann




Wachsen auf dem Weg der Meditation

Interview mit Propst Modris Plate

 

von Rainer Stahl

 

Auszug aus dem Lutherischen Dienst 4/2012



Lutherischer Dienst 4/2012

Propst Modris Plate (r.) und Dr. Rainer Stahl.

Rechts der Altar der St.-Michaelis-Kirche in Jekabpils. – Fotos: MLB

Vom 2. bis 7. Juni 2012 besuchte Dr. Rainer Stahl, Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes, Lettland (wir berichteten in LD 3/2012). In Jekabpils hatte er Gelegenheit fĂĽr ein Gespräch mit Propst Modris Plate. Die deutsche Fassung des englisch gefĂĽhrten Gesprächs ist von Propst Plate autorisiert.

 

Sie werden am 23. September dieses Jahres den 33. Jahrestag Ihrer Ordination feiern können. Was würden Sie als bedeutendsten Moment in diesen Jahren benennen?

Da muss ich natĂĽrlich erst etwas nachdenken. Am wichtigsten aber ist mir das GefĂĽhl, die innere Stimmung, wenn ich am Altar stehe und die Heilige Messe, die Eucharistie, das Heilige Abendmahl feiere. Diese Stimmung, die ich im Gottesdienst bei der Eucharistie habe, das ist mir das Wichtigste.

Einer meiner Söhne, der in Deutschland Theologie studiert, hat mich gefragt: »Du lebst sehr arm. Dein Einkommen ist niedrig. Warum hast Du diesen Lebensweg gewählt?«

Da habe ich gesagt: »Als ich jung war, war Geld nicht mein Problem. Geldfragen haben mich nicht bestimmt. Mir ging es immer um die Möglichkeiten, innerlich voranzukommen.«

 

Wie schauen Sie nun heute auf die Situation Ihrer Kirche?

Ich diene seit 21 Jahren in Jekabpils – an der St.-Michaelis-Kirche. Trotz zahlenmäßiger Unterschiede – die römisch-katholische Gemeinde ist die größte – sind die verschiedenen Konfessionen und christlichen Gruppen in der Stadt etwa gleich: Römische Katholiken – wie gesagt –, Orthodoxe, Altgläubige, Lutheraner, Baptisten, Pfingstler und weitere evangelische Richtungen.

Sie mĂĽssen aber beachten, dass von den 24.600 Einwohnern unserer Stadt nur etwa 55 % Letten sind. Hinzu kommen Russen, WeiĂźrussen, Ukrainer usw.

Wir, die Lutheraner, zählen keine 1000 in der ganzen Stadt: 360 Gemeindeglieder in meiner Gemeinde und etwa 400 in der Gemeinde in Krustpils.

 

In Balvi habe ich am letzten Sonntag (3. Juni 2012) bei der Konfirmation mitwirken können. Was hat sich im Zusammenhang mit Konfirmationen verändert?

Die Zahl der Konfirmandinnen und Konfirmanden ist leider zurĂĽckgegangen. Jekabpils ist fĂĽr viele Menschen eine Durchgangsstation. Die jungen Leute sehen zu, dass sie sonst wohin kommen. Deshalb haben wir nur noch 15 bis 20 Konfirmandinnen und Konfirmanden im Jahr.

 

Gibt es inhaltlich einen besonders wichtigen Akzent?

FĂĽr mich ist es wichtig, die alten Geschichten und Themen in moderner Form auszudrĂĽcken und zur Sprache zu bringen.

Ich will einige Theologen nennen, die für mich wichtige Autoritäten sind – aus Deutschland: Hans Küng, Eugen Drewermann, Jörg Zink, Emil Bock, aber auch aus dem angelsächsischen Bereich: William Johnston, Richard Rohr, Marcus J. Borg und insbesondere Bischof John Shelby Spong mit seinen Büchern »Jesus für die Nichtreligiösen« (»Jesus for the Non-Religious«) und »Wieder-Inanspruchnahme der Bibel für eine nichtreligiöse Welt« (»Re-Claiming the Bible for a Non-Religious World«).

 

Könnten Sie ein Beispiel für diesen Weg des Denkens geben?

Ich nenne das Phänomen der Angst. Jeder von uns erlebt Angst: als Angst vor den Menschen, als Angst vor dem Leben, als Angst vor Gott, als Angst vor dem Tod.

Der entscheidende Weg, den ich neben dem traditionellen wie dem Lesen der Bibel und dem Beten gefunden habe, ist die Meditation. Meditation bedeutet etwas anderes als Gebet.

Sie beginnt in der christlichen Welt mit den Wüstenvätern des 4. Jahrhunderts und geht bis zu denen, die in unserer Zeit die Meditation wieder entdeckt haben: William Johnston eben, auch Willigis Jäger und Laurence Freeman. Das ist ganz ähnlich dem buddhistischen Zen, aber nicht identisch mit ihm.

Vor zweieinhalb Jahren habe ich Ăśbungen der Meditation begonnen mit dem Ziel, einen festeren Glauben zu erreichen, allen Formen der Angst zu entkommen.

Vor kurzem bin ich auf ein wichtiges Bibelwort aufmerksam geworden, das schwer zu übersetzen ist: »So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, wo ­keine Bedrängnis mehr ist« (Hiob 36,16). Das kann man im Zusammenhang mit der ganzen Elihu-Rede verstehen, aber auch ganz direkt als spezifische Aussage!

Zwei Bewegungen gibt es: erstens zu erkennen, was Gott fĂĽr mich tut, und zweitens, was ich tun kann, um Gottes Hilfe zu gewinnen. Die zweite meint Meditation.

Wenn ich bete, sende ich Worte zu Gott. Wenn ich meditiere, kann ich hören, was Gott mir sagt. Wir können Gott mit Worten und Taten antworten – aber auch im Schweigen.

Es gibt in der heutigen Kirche zu viele Worte und zu wenig Schweigen. Uns fehlt nicht die Predigt, uns fehlt das Schweigen zusammen mit Gott.

Natürlich gibt es verschiedene Wege, dieses Schweigen zu praktizieren. Wir alten Aktivisten in unserer Kirche – Juris Rubenis, Erzbischof Jãnis Vanags und ich – haben das grundlegend erkannt, gehen aber verschiedene Wege.

Uns verbindet die Einsicht: Nicht noch mehr Worte sind nötig, sondern überhaupt mehr Zeit, um vor Gott zu schweigen.

 

Bruder Plate, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 4/2012. Wenn Sie die weiteren Artikel – etwa ein Interview mit dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Martin Junge, den Bericht der Absolventen des Theologischen Seminars in Nowosaratowka bei St. Petersburg, eine biblische Meditation zum Thema »Alter« von Tomáš Tyrlik von der Schlesischen Evangelischen Kirche A.B. in der Tschechischen Republik und noch einiges mehr – lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.