31.03.2012 - Kategorie: Slowakei, Ungarn
(Komárom/Komárno, 21. März 2012) Ein Miteinander in vielen Bereichen kirchlichen Lebens soll künftig die Slowakei und Ungarn verbinden. Besonders ist hierbei auch an die in Ungarn lebenden Slowaken sowie an die in der Slowakei lebenden Ungarn gedacht. Nach zahlreichen Vorgesprächen, die in den vergangenen knapp zwei Jahren zwischen Vertretern der evangelisch-lutherischen Kirchen in Ungarn und in der Slowakei geführt wurden, konnte am 21. März 2012 in Komárom (Komárno) ein Vertrag zwischen beiden Kirchen unterzeichnet werden.
Handschlag auf eine künftige enge Zusammenarbeit ihrer Kirchen: Generalbischof Miloš Klátik und der leitende Bischof Péter Gáncs – Foto: Zsuzsanna Horváth-Bolla
Das Dokument will vor allem das tägliche Miteinander beider Kirchen stärken. Als Ziel weist der Vertrag unter anderem gemeinsame missionarische Veranstaltungen aus. Zudem laden sich die Kirchen auch gegenseitig zu Feierlichkeiten ein und gestalten gemeinsame Gottesdienste. Zwischen den Archiven und Bibliotheken beider Kirchen soll es eine engere Zusammenarbeit geben. Im Bereich der Mittelschulen und der theologischen Hochschulen sollen die Möglichkeiten des Schüler- bzw. Studentenaustausches intensiviert werden. Die diakonischen Abteilungen beider Kirchen arbeiten künftig enger zusammen und veranstalten gemeinsame internationale Seminare, Konferenzen und Symposien.
Besondere Aufmerksamkeit widmet die Vereinbarung den Gebieten in Ungarn und in der Slowakei, in denen Slowaken und Ungarn miteinander leben. Beide Kirchen unterstützen, dass in diesen Gebieten die für den Gottesdienst und das Glaubensleben wichtigen Schriften, die Bibel, das Gesangbuch, kirchliche Literatur und weitere Presseerzeugnisse gegenseitig genutzt werden können. Ferner wird die offizielle Nutzung von Religionsbüchern und Konfirmationsmaterial in ihrer Muttersprache auch in der Partnerkirche sichergestellt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass – nach einer Vereinbarung auf Kirchenleitungsebene – slowakische Pfarrerinnen und Pfarrer nach Ungarn und ungarische Pfarrerinnen und Pfarrer in die Slowakei entsandt werden können.
Im gemeinsamen Gottesdienst blickte Bischof Dr. Tamás Fabiny in die gemeinsame – mitunter schwierige – gemeinsame Geschichte beider Länder und brachte das Geschehene vor Gott:
»Jeder muss seinen Sünden ins Auge blicken. Wir Ungarn haben etwas zu bereuen. Zum Beispiel trieb in der Zeit des Dualismus, der nationalen Erweckung der europäischen Völker unsere Politik eine starke Magyarisierung voran. Nur ein Beispiel: Ab 1907 erhielten Grundschulen nur dann staatliche Förderungen, wenn die Unterrichtssprache Ungarisch war. Auch die damalige evangelisch-lutherische Kirchenleitung hat Fehler begangen und bevorzugte ungarische Gemeinden. Zudem wurden auf der Synode von 1891 die Grenzen der Kirchenbezirke so festgelegt, dass slowakische Gemeinden nicht zusammenbleiben konnten.
Wir verstehen, dass ihr dies als Verletzung erlebt habt. Und wir bitten um Verzeihung fĂĽr die erlittenen Schmerzen.
Ebenso versteht ihr, dass auch uns schmerzt, was nach 1920 und besonders nach 1945 mit den Ungarn geschehen ist, als ihnen gewaltsam die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen wurde oder als ihre staatsbürgerlichen Rechte in bedeutendem Umfang beschnitten wurden. Dem folgten Umsiedlungen und eine Reslowakisierung. Es war großes Unrecht, dass um der Politik willen Menschen verurteilt wurden, die eigentlich für nichts etwas konnten. Die Politik kann vielleicht auch heute noch nicht sagen: ›Wir bitten um Entschuldigung.‹ Doch die Kirchen sind dazu womöglich in der Lage.«
Im Anschluss an den Gottesdienst wurde die Vereinbarung in den Räumen der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde in Komárom (Komárno) unterzeichnet. Von ungarischer Seite unterzeichneten der leitende Bischof PĂ©ter Gáncs und Landeskurator Gergely Prőhle den Vertrag. Seitens der evangelisch-lutherischen Kirche in der Slowakei unterzeichneten Generalbischof Miloš Klátik und Landeskurator Pavel Delinga das gemeinsame Dokument.
Im anschlieĂźenden Festakt wĂĽrdigte Landeskurator Pavel Delinga diesen historischen Moment als wichtig und wertvoll. Der Glaube an den dreieinigen Gott und das gemeinsame Erbe der Reformation seien, so Delinga, das Fundament, auf dem dieser Vertrag zustande kommen konnte, der eine Art gemeinsame Stimme beider Kirchen sei.
Landeskurator Gergely Prőhle betonte, dass mit diesem Vertrag theologische Grundlagen praktizierbar werden, da gerade die alltägliche Verbindung zwischen beiden Kirchen im besonderen Blick der Vereinbarung stehe.
(aus: Deutschsprachiger Nachrichtendienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, 4. Jahrgang, 2. Ausgabe, Februar/März 2012