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09.05.2011 - Kategorie: LD online, Ungarn

LD online: Das Evangelium der Hände




Die diakonische Arbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn

 

von Annamária Buda

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2011, Sondernummer »Ungarn«



LD 2/2011

Diakonische Impressionen

Fotos: ELKU

Die Gemeinde ist eine Gemeinschaft, die in der Anwesenheit Christi lebt. Das bezeugt man zusammen und individuell auch in der diakonischen Arbeit. Unsere Verbindungen und das gemeinschaftliche Leben haben einladenden Charakter für die­jenigen, die fern von Gott leben oder de­ren Leben am Rande des Abgrundes steht.

 

Das diakonische Engagement der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn reicht bis zur Zeit der Reformation zurück. Mit der Entstehung von lutherischen Gemeinden wurden nicht nur Kirchen und Schulen, sondern allmählich auch diakonische Einrichtungen gegründet.

 

Von den Gemeinden des 17. und 18. Jahrhunderts wurden in mehreren Ortschaften Waisen verpflegt und Waisen­häuser gegründet. Aus diesem kleinen Kern entstand die diakonische Arbeit. Vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in den meisten Gemeinden Vereine, die sich nicht nur mit der Einrichtung von Kirchengebäuden und Schulen beschäftigten, sondern eben auch mit der Unterstützung von Armen, Waisen und bedürftigen Kindern. 1948, als der Kommunismus in Ungarn seinen Anfang nahm, wurden alle Vereine verboten. Sie konnten ihre Tätigkeit erst nach der Wende im Jahr 1989 wieder aufnehmen.

 

Die Arbeit der Diakonissen spielt im Leben unserer Diakonie eine große Rolle. Die ersten Diakonissen begannen ihre Arbeit 1910 in Győr. Sie leiteten dort ein Altenheim und ein Waisenhaus, das aus Anlass des 400. Jubiläums der Geburt Martin Luthers gegründet worden war. 1924 entstand der Diakonissenverein Fébé, 1929 wurde ein Mutterhaus in Békéscsaba gegründet. Die Diakonissen übten ihre Tätigkeit sowohl in den verschiedenen diakonischen Einrichtungen als auch in den Gemeinden aus. Sie waren in Nyíregyháza, Békéscsaba, Piliscsaba, Budapest und Győr tätig.

 

Eine der bedeutendsten Gestalten der Diakonie des 20. Jahrhunderts ist Pfarrer Gábor Sztehlo, auf den das berühmte Zitat »Das Evangelium der Hände« zurückgeht. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er von Bischof Sándor Raffay beauftragt, sich an der Arbeit des Vereins Der gute Hirt zu beteiligen, der christliche Kinder jüdischer Herkunft gerettet hat. Später stand er mit dem schweizerischen Roten Kreuz und anderen verwandten Organisationen in Verbindung. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, Kinder aus dem Ghetto zu retten. Auch andere junge Erwachsene flohen zu ihm, und nach kurzer Zeit konnte er für Asylanten in 32 Villen und Wohnungen in Buda und Pest Unterkünfte einrichten. Sie wurden von den »Pfeilkreuzlern« (den ungarischen Faschisten) immer wieder belästigt und bedroht. Gábor Sztehlos Einsatz für die Rettung der ungarischen Juden wurde nach dem Krieg vom Staat Israel durch die Verleihung der Yad-Vashem-Medaille gewürdigt. Außerdem wurde er 1974 mit der Nominierung für den Friedensnobelpreis geehrt.

 

Wenn man die Geschichte der interna­tio­nalen und ungarischen Diakonie betrach­tet, stellt man fest, dass nach 2000 Jahren der Entwicklung in den letzten 60 Jahren in Ost-Europa nahezu Stillstand herrschte. Aus historischer Perspektive ist der Rückstand bei weitem nicht tragisch, weil es in der Geschichte der Kirche schon vorher solche Perioden gegeben hat. Doch uns, die wir heute in Ungarn leben, trifft die jüngere Vergangenheit schwer – und sie überlässt uns große Verantwortung. In den Jahren der Diktatur war der Begriff Diakonie in der Theologie unserer Kirche überaus betont. Doch die »diakonische Theologie« diente eher der Ideologie des sozialistischen Systems, statt die Arbeit der Diakonie zu begründen.

 

Heute, zwanzig Jahre nach der Wende, gibt es viele Dienste im Rahmen der ungarischen Diakonie, zum Beispiel:

 

•   26 Seniorenheime,

•   18 Hilfszentren für Senioren,

•   6 Stationen für »Essen auf Rädern«,

•   3 Behindertenheime,

•   2 Mütterheime,

•   1 Obdachlosenheim,

•   1 Volksküche,

•   1 Wärmestube,

•   2 Stellen für Tageshilfe für Suchtkranke.

 

Heute geben staatliche und kirchliche Gesetze Rahmenbedingungen für die dia­konische Arbeit. Außerdem hat unsere Diakonie einheitliche Grundsätze, die die Zielsetzungen und Motivationsfelder unserer Arbeit zusammenfassen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass es das Ziel der diakonischen Arbeit in den Gemeinden und Einrichtungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn ist, dass sie mit einem ganzheitlichen Weltverständnis und mit der Liebe Christi die Probleme und das Leid der hilflos im Elend lebenden Mitmenschen mildert.

 

Zur Verwirklichung der Ziele wurden fünf strategische Richtlinien formuliert:

 

1. Die Stärkung sowohl des kirchlichen Profils der Dienstleistungen als auch der professio­nellen Ausbildung der Leitenden und Mitarbeitenden der Diakonie.

2. Die Entwicklung eines diakonischen Netzwerkes.

3. Der Erhalt und die Entwicklung ­eines Qualitätsstandards für diakonische Dienstleistungen.

4. Die Gewinnung Ehrenamtlicher für den diakonischen Dienst und die Förderung des Gemeindeaufbaus.

5. Die Etablierung der Diakonie in der Gesellschaft und die Pflege ökumenischer Verbindungen.

 

Diakonische Arbeit ohne theologischen Hintergrund ist nicht denkbar. Es ist sehr wichtig, die biblische Botschaft an die Mitarbeitenden und die in Not lebenden Menschen weiterzugeben. Offenheit und Geduld sind dabei unentbehrlich. Diakonie und Gottesdienst können nicht voneinan­der getrennt werden. Die diakonische Be­auftragung fängt vor dem Altar an und kehrt dorthin zurück. Am Altar erinnern wir uns an Jesu Opfertat am Kreuz. Hier lädt uns der Auferstandene ein und schenkt sich uns in Wein und Brot. Der Altar ist der Ort, von dem aus er uns in die Welt sendet, damit wir im Dienst für den Nächsten sein Evangelium in die Welt tragen.

 

 

Annamária Buda leitet als Soziologin die Abteilung Diakonie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2011, Sondernummer »Ungarn«. Wenn Sie die weiteren Artikel mit weiteren Informationen über Land und Leute und die evangelisch-lutherische Kirche in Ungarn lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.