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Aktuelle Meldung



11.05.2009 - Kategorie: Polen

POLEN: Neuwahl eines Leitenden Bischofs auf der Herbstsynode, Wechsel im Amt im Januar 2010




Auf der 5. Sitzung der 12. Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der Republik Polen in der diesjährigen Osterwoche Mitte April wurde beschlossen, dass die Synode im Herbst dieses Jahres einen neuen Leitenden Bischof wählen wird und der jetzige Leitende Bischof, Janusz Jagucki, nach AmtseinfĂĽhrung dieses Nachfolgers im Januar 2010 in den Ruhestand treten wird. Dieser Beschluss stand im Zusammenhang mit Erkenntnissen ĂĽber eine Zusammenarbeit von Bischof Jagucki mit dem Geheimdienst der Volksrepublik Polen während der Zeit seines Dienstes als Pfarrer in Giżycko.



Die Analyse der gegebenen Situation ist so schwierig, dass wir als Martin-Luther-Bund, der seit Jahrzehnten bewährter Partner der Evangelisch-Augsburgischen Kirche auf allen ihren Ebenen – Gemeinden, Diözesen, Gesamtkirche – ist, es für angemessen halten, das Schreiben des Synodalrates der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in dieser Sache an die Pfarrer der Kirche in Auszügen zu dokumentieren:

 

 

»Liebe Amtsbrüder,

 

im Zusammenhang mit den beispiellosen Ereignissen während der 5. Plenarsitzung der 12. Synode und mit der breiten nicht immer präzisen Berichterstattung in den Medien, beschloss der Synodalrat, den Verlauf der Synodesitzung bezĂĽglich der Tätigkeit der Historischen Kommission der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen darzustellen.

 

Zu Beginn möchten wir an folgende Fakten erinnern: Im Jahre 2007 berief das Konsistorium auf Antrag des Leitenden Bischofs die Historische Kommission der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Die Satzung der Kommission stellt im § 1 fest:

 

›Die Historische Kommission der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, weiter als Kommission bezeichnet, wurde mit dem Beschluss Nr. 6 des Konsistorium vom 2. März 2007 auf Antrag des Leitenden Bischofs berufen, um die Archivbestände des Instituts fĂĽr Nationales Gedenken (IPN) sowie die internen Kirchenarchive, die die Unterwanderung der Evangelisch-Augsburgischen Kirche durch die Sicherheitsorgane vom 22. Juli 1944 bis zum 31. Juli 1990 betreffen, zu erforschen.‹

 

Im Zusammenhang mit der Offenlegung von IPN-Akten, die Pfarrer Janusz Jagucki betreffen, zog sich Bischof Jagucki im April 2008 aus den Arbeiten der Kommission zurĂĽck und beauftragte mit ihrem Vorsitz seinen Stellvertreter, Bischof Mieczysław Cieślar. Im September 2008 erschien ein Artikel in der Tageszeitung ›Rzeczpospolita‹, in dem ĂĽber die Existenz der Akten informiert wurde. Während der Herbstsitzung der Synode, die vom 17. bis 19. Oktober 2008 stattfand, teilte Bischof Mieczysław Cieślar, der Vorsitzende der Historischen Kommission, mit, dass die Historische Kommission ihre Tätigkeiten bezĂĽglich der Nachforschung und Klärung der Fallakten bzgl. Bischof Jagucki fortsetzt.

 

Am 26. März 2009 fasste das Kollegium der Kommission gemäß der Satzung der Historischen Kommission den folgenden Beschluss:

 

›In Sorge um und im Verantwortungsbewusstsein fĂĽr die Zukunft und GlaubwĂĽrdigkeit der Kirche befand das Kollegium der Historischen Kommission der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen in geheimer Abstimmung mit absoluter Mehrheit und nach dem Vertrautmachen mit den Nachforschungsergebnissen der Historischen Kommission, der Expertise eines Konsultanten und der Erklärungen des Betroffenen sowie nach grĂĽndlicher Erforschung und Besprechung der Quellenmaterialien im Fall von IM Janusz (IPN BI 0013/456/1-3), Bischof Janusz Jagucki der Zusammenarbeit mit der Sicherheitsbehörde zum Nachteil der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen nach § 3, Abs. 4 der Satzung des Kollegiums der Historischen Kommission fĂĽr schuldig. Im Zusammenhang damit und gemäß des § 3, Abs. 6 gibt das Kollegium der Historischen Kommission ihren Beschluss an die Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen weiter.‹

 

Die Synode der Kirche arbeitet nach Verfahrensregeln, die im Kirchenrecht bestimmt sind. Am Anfang jeder Sitzung nimmt die Synode die Tagungsordnung an, nach der später vorgegangen wird. Zur vorgeschlagenen Tagungsordnung, die gemäß der Geschäftsordnung der Kirchenleitung vier Wochen vor dem Beginn der Sitzung durch den Synodalrat an die Synodalmitglieder verschickt wurde, wurden noch zwei Anträge eingereicht. Der erste Antrag wurde von Herrn Artur Steinert gestellt und plädierte für Beendigung der Tätigkeit der Historischen Kommission und im Falle der Annahme dieses Antrags für den Verzicht der Synode auf die Anhörung der Tätigkeitsergebnisse der Historischen Kommission und des Beschlusses ihres Kollegiums. Den zweiten Antrag hat Bischof Janusz Jagucki eingereicht, indem er bat, die Tagesordnung um den Punkt 12a zu erweitern, damit er die Möglichkeit hätte, seine Stellungnahme zu den im Bericht des Kollegiumsvorsitzenden enthaltenen Informationen abzugeben.

 

Die Synode befasste sich damit in den Punkten 12, 12a und 13 der Tagungsordnung. Zuerst stellte der Kollegiumsvorsitzende der Historischen Kommission einen umfassenden Bericht vom Arbeitshergang der Historischen Kommission vor, der auch den oben zitierten Beschluss zusammen mit der Begründung zum Fall der Zusammenarbeit von Pfarrer Janusz Jagucki, dem jetzigen Leitenden Bischof, mit der Sicherheitsbehörde enthielt. In einer einstündigen Erklärung nahm Bischof Janusz Jagucki zu den Vorwürfen Stellung. Er schilderte auch umfassend den Hintergrund der schwierigen Arbeit in Masuren in der damaligen Zeit. Er betonte, er gestehe eine inoffizielle und bewusste Mitarbeit mit der Sicherheitsbehörde nicht ein. Allerdings räumte er ein, Kontakte mit einem Offizier unterhalten zu haben, von dem er überzeugt gewesen sei, er wäre ein Polizist gewesen. Bischof Jagucki entschuldigte sich für die Situation, in der unsere Kirche wegen der an ihn gerichteten Anschuldigungen und des medialen Wirbels in der ganzen Sache gekommen ist. Danach fand eine lange Diskussion statt, die in einer sehr ernsten Atmosphäre geführt wurde.

 

Das Thema wurde von der Synode noch einmal im Punkt 28 der Tagesordnung aufgegriffen, der die Diskussion der fĂĽr die 5. Sitzung der 12. Synode eingereichten Anträge betraf. Einer der Einträge betraf auch den besprochenen Vorfall und wurde von Bischof Ryszard Borski gestellt. Der Bischof plädierte fĂĽr die Anerkennung der Ermittlungen der Historischen Kommission und des Kollegiums fĂĽr ein eingehendes Verfahren zur ErgrĂĽndung der historischen Wahrheit. Er beantragte auch die unverzĂĽgliche Amtsenthebung von Bischof Janusz Jagucki und die Versetzung in den Ruhestand. Hier legte Bischof Janusz Jagucki erneut eine Erklärung ab, entschuldigte sich fĂĽr seine Leichtsinnigkeit in jungen Jahren und fĂĽr die nach Jahren entstandenen Probleme und betonte, dass er sich einer bewussten und geheimen Zusammenarbeit mit der Sicherheitsbehörde nicht schuldig fĂĽhle. Bischof Jagucki ersuchte die Synode, ihm das Vertrauen auszusprechen. Nach einer geheimen Abstimmung sprach die Synode dem Bischof ihr Vertrauen nicht aus. Während der anberaumten Pause wurde eine Sitzung der kirchlichen Leitungsgremien einberufen – der Bischofskonferenz, des Konsistoriums und des Synodalrates. Diese Gremien stellten nach Absprache mit Bischof Janusz Jagucki zwei Anträge zur Abstimmung – und zwar einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens (worum Bischof Jagucki gebeten hatte) und, fĂĽr den Fall, dass dieser Antrag abgelehnt wĂĽrde, einen Antrag auf VerkĂĽrzung der Amtszeit des leitenden Bischofs um ein Jahr. Beide Anträge wurden der Synode nacheinander vorgelegt. Bei der Abstimmung hat der Antrag auf die VerkĂĽrzung der Amtszeit von Bischof Jagucki eine groĂźe Mehrheit erlangt. Dadurch wurde auch das Verfahren fĂĽr die Wahl des neuen Leitenden Bischofs eingeleitet. Die Wahl findet während der nächsten Synodensitzung im Herbst statt, und die AmtseinfĂĽhrung erfolgt innerhalb von drei Monaten nach der Wahl, höchstwahrscheinlich im Januar 2010. Bis zu dieser Zeit ĂĽbt der Leitende Bischof Janusz Jagucki sein Amt aus und wird danach in den Ruhestand gehen. Die von der Kirche garantierten Sozialrechte werden fĂĽr Bischof Jagucki wie im Fall der Vollendung der ganzen Amtszeit gelten.

 

...

 

Liebe BrĂĽder und Schwestern in Christus,

 

Wir bitten euch um ausgewogene und versöhnungsorientierte Berichterstattung an unsere Mitchristinnen und Mitchristen. Davon wird die Bewahrung der Einheit unserer Gemeinschaft abhängen, die zum grundlegenden Gut der Kirche gehört.

 

In der Bitte um Euer Gebet in diesen fĂĽr unsere Kirche schwierigen Zeiten,

 

Der Synodalrat.«