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Aktuelle Meldung



02.06.2008 - Kategorie: ELKRAS, LD online

LD ONLINE: In der Hand Gottes




Jugendarbeit in St. Paul, Odessa

 

von Alexander Gross

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2008, Schwerpunktheft »Ukraine«



LD 2/2008

Die Jugendarbeit in der Gemeinde St. Paul ist jetzt sehr erfolgreich, aber das war nicht immer so. Als ich 2002 dieses Amt übernommen habe, schien die Lage sehr erfreulich zu sein. Es gab acht feste Mitglieder der Jugendgruppe und einige, die von Zeit zu Zeit an den Treffen teilnahmen. Und als bekannt wurde, dass ein neuer Jugendpastor in der Gemeinde seinen Dienst angetreten hatte, kamen viele interessierte Jugendliche aus Neugier vorbei. Im ersten Monat waren es zwanzig bis dreißig – und dann nur noch zwei bis drei im ganzen Jahr. Was war geschehen? Hatte ich die Hoffnung verloren? Hatte ich die Arbeit falsch begonnen? Hatte ich die falschen Methoden angewendet? Diese Fragen gingen mir durch den Kopf, und ich versuchte die Situation zu analysieren. Dabei wurde mir einiges klar. Ein großer Fehler war, dass ich am Anfang nicht alles selbst gemacht habe. Stattdessen bot ich den Jugendlichen an, die Verantwortung zu teilen. Dazu kam, dass ich mich nicht um mögliche Geldgeber kümmerte. So sollten die jungen Leute etwa für Tee und andere Dinge selbst bezahlen. Das hat vielleicht viele verschreckt. Sie waren daran gewöhnt, dass der Pastor sich um ein unterhaltsames Programm kümmert, Kino- und Theaterbesuche sowie Reisen in andere Städte und sogar ins Ausland bezahlt. »Der Pastor muss sich um alles kümmern!«, dachten sie.

 

Das beschäftigte mich sehr, denn ein Gruppenleiter, wie sie ihn gewohnt waren, konnte und wollte ich nicht sein. Das war eine menschliche Niederlage – aber ein Sieg Gottes. Das habe ich später innerhalb weniger Jahre verstanden. Es reicht nicht, eine Vision und etwas Erfahrung in der Jugendarbeit zu haben. Man muss Gott vertrauen und vor allem sehr geduldig sein.

 

 

»Gloria« – Wir verändern uns!

 

Aus Odessa kommen traditionell die meisten Mitarbeitenden des christlichen Camps »Gloria«. Hier reden wir nicht nur darüber, wie großartig Gott unser tägliches Leben beeinflusst – wir erfahren es auch jeden Tag während dieser Freizeiten. Jeder einzelne Tag hier verändert uns mehr als die wöchentlichen Treffen zuhause in der Kirche. In der Verantwortung für und im Kampf um jeden Einzelnen, im Gebet und in den Bibelarbeiten erleben wir die Gegenwart des Heiligen Geistes.

 

Wir helfen ehemaligen Mitarbeitenden, in anderen Regionen der Ukraine Camps zu organisieren. Und in Odessa und Umgebung haben wir inzwischen genug Jugendliche, die ihrerseits regionale Freizeiten veranstalten. Dieser Prozess ist für die Entwicklung der Kirche als Ganzes von großer Bedeutung.

 

 

Was für ein Wandel!

 

Mittlerweile kann man beobachten, dass in den Gottesdiensten immer mehr engagierte Jugendliche erscheinen. Unsere Evangelisationsbemühungen führten dazu, dass inzwischen die Gemeinden in Kudryavka, Novogradovka, Petrodolina und Petrovka wieder existieren. Die Sonntagsschulen erfreuen sich großer Beliebtheit, und die jungen Leute, die die Camps besucht haben, nehmen jetzt am Gottesdienst teil, wie zum Beispiel Yura Bekker, der den ganzen Sommer gejobbt hat, um sich eine Gitarre kaufen zu können. Jetzt spielt er christliche Lieder für Kinder in der Sonntagsschule seines Dorfes.

 

Während der letzten Jahre begannen die Jugendlichen, selbst für die Kosten der Gruppen aufzukommen. Doch nicht nur das: Sie begannen auch, andere zu unterstützen. So konnten sie 46 Kindern aus sehr armen Familien Winterstiefel im Wert von umgerechnet 450 EUR – aus ukrainischen Spenden! – besorgen. Was für ein Wandel! So gibt es jetzt auch Geld für andere diakonische Projekte. Waisen und Kindern aus sehr armen Familien kann damit z.B. der Aufenthalt im Camp bezahlt werden. Es war auch möglich, einen Missionar zu finanzieren, der im kommenden Jahr in den Dörfern Dienst tun kann. Das ist ein großer Segen, denn der Pastor kann sie jetzt höchstens einmal im Monat besuchen – und das ist viel zu wenig.

 

 

Der Dienst in der Gemeinde

 

Olga Yermolenko und Anastasia Poddubskaya arbeiten jeden Sonntag in der Kirche. Anastasia ist Sonntagsschullehrerin und Olga ist Mitarbeiterin in der Jugendarbeit. Jeden Freitag kommen Musikbegeisterte in der Kirche zusammen, um das Gitarrespielen zu lernen und zu singen. Sie bereiten das musikalische Programm für die Evangelisation und die Jugendgottesdienste vor, die wir sonntags einmal im Monat in der Gemeinde durchführen. Das war der einzige Weg, um Jugendliche für die Sonntagsgottesdienste zu gewinnen, denn wir wissen, wie schwierig es für sie ist, sich an die »alten Formen und Traditionen« zu gewöhnen und auch in zwei Sprachen Gottesdienste zu feiern. Jetzt haben wir dieselbe Liturgie, aber es gibt neue Lieder, und die jungen Leute nehmen aktiv am Gottesdienst teil. In einem Familiengottesdienst, zu dem die Jugendlichen ihre Eltern eingeladen hatten, konnten wir viele neue interessierte Menschen begrüßen. Meistens sind die Eltern nicht gläubig, aber sie kommen gerne, wenn die Kinder einladen, und wir nutzen die Gelegenheit, ihnen von Gott und unserer Kirche zu erzählen.

 

 

Die Jugendgottesdienste werden erwachsen

 

Das ist eine wirklich gute Nachricht. Wir erleben, dass Gottes Gnade wirksam wird. Wenn ein Mensch keine Kraft mehr hat – Gott zeigt uns den Weg. Als Gottes Diener verlassen wir uns auf unser Wissen, unsere Erfahrung, Begabung, Stärke und andere Dinge, aber selten auf Gott. Wenn wir sehen müssen, dass wir nicht weiterkommen: Gott beginnt zu handeln. Er stellt sich vor uns. Unsere Gaben und Fähigkeiten wurden uns schließlich geschenkt, um ihm die Ehre zu geben. Wir hier in Odessa und anderswo in unserer Kirche haben es selbst erlebt. Wir sind in der Hand Gottes und vertrauen auf seine väterliche Hilfe. In dieser Gewissheit sind wir alle Brüder und Schwestern.

 

 

Pfarrer Alexander Gross, Odessa, war 1999 Teilnehmer des Internationalen Sprachkurses des MLB. Er studierte Theologie in Novosaratovka am Theologischen Seminar der ELKRAS, wo er anschließend als Inspektor mitarbeitete. Seit 2002 ist er Pfarrer in Odessa und dort verantwortlich für die Jugendarbeit. Die Bilder entstanden bei diversen »Gloria«-Camps.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2008, Schwerpunktheft »Ukraine«. Wenn Sie die weiteren Artikel – etwa über den Wiederaufbau von St. Paul in Odessa oder die Lutherische Diakonie in Marseille lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.