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Aktuelle Meldung



28.02.2022 - Kategorie: ELKRAS

UKRAINE: »Ich werde einfach helfen, soweit ich kann.«




Was tun angesichts des Überfalls auf die Ukraine und des Krieges? – Mit Pavlo Shvarts, dem Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU), sprach Dariusz Bruncz von ekumenizm.pl, der ökumenischen Informationswebseite, und von ewangelicy.pl, dem publizistischen Internetauftritt der Evangelisch-Augsburgischen (Lutherischen) Kirche in Polen.



Bischof Pavlo Shvarts – Bild: DELKU

Herr Bischof, wo halten Sie sich derzeit auf?
Ich bin aktuell in der Nähe von Kharkiv. Ich bin gerade aus der Stadt zurückgekehrt, nachdem ich meine Frau und Kinder bei Verwandten in Sicherheit gebracht hatte. Ich konnte nicht nach Kharkiv zurückkehren, weil sich die Stadt unter ständigem russischem Beschuss befindet.

 

Wie sieht die Lage in Ihrer Kirche aus?
Unsere Kirchengemeinden befinden sich in unterschiedlichen Situationen. In Kharkiv, wo ich ja auch  Gemeindepfarrer bin, sind ein paar Menschen geflohen, aber die meisten verbleiben in der aktiven Kriegszone. Russische Einheiten haben uns umkreist und ihre Panzer fahren Richtung Berdjansk. In manchen Orten ist es immer noch relativ ruhig, aber was uns jetzt Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass sich die meisten unserer Kirchengemeinden im Osten und Süden des Landes befinden, wo gerade der Krieg tobt. Unsere Gläubigen bleiben mehrheitlich in ihren Ortschaften. Manche können nicht fliehen, weil sie beispielweise Familienangehörige unter ihrer Obhut haben, die nicht imstande sind, eine weite und anstrengende Reise auf sich zu nehmen. Was uns übrig bleibt, ist die Aufrechterhaltung unserer Kontakte, das Gebet und die Koordinierung humanitärer Hilfe.

 

Haben Sie irgendwelche Meldungen über Opfer unter Ihren Kirchenmitgliedern oder über die Zerstörung von Kirchen?
Bis zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise noch keine. Vorgestern, also am ersten Tag des russischen Angriffs, ist hier Panik ausgebrochen – ich spreche hier über Menschen aus meinem Bekanntenkreis. Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden, insofern man überhaupt von Ruhe in einer solchen Situation sprechen darf.

 

Kharkiv liegt sehr nah an der russischen Staatsgrenze und die meisten Stadtbewohner sind russischsprachig. Wie ist die Stimmung der lokalen Bevölkerung?
Es gibt zwar hier und da Meinungsverschiedenheiten, aber dieses Mal erfreut sich Russland – milde ausgedrückt – keiner großen Sympathie wie zuvor. Natürlich, viele Menschen verbinden bzw. verbanden viele Kontakte, aber es ist schwierig, von einer »Freundschaft« zu reden, wenn sie heute mit ballistischen Raketen und Bomben und dauerndem Beschuss zum Ausdruck gebracht wird. Dieser Aggressionshagel bewegt Menschen zum Umdenken und gleichzeitig stärkt er den Zusammenhalt der ukrainischen Gesellschaft in ihrem Kampf um ihr Vaterland.

 

Herr Bischof, was können wir als evangelische Kirchen in Europa tun? Wie können wir helfen?
Nehmt Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten auf und bietet ihnen seelsorgerlichen Beistand an. Betet und sprecht laut über die Sünde des Krieges und nicht über irgendwelchen imaginären Frieden, der gemeinsame Schuld beider Seiten vorgaukelt. Darüber hinaus brauchen wir auch finanzielle Unterstützung für Lebensmittel, Medikamente, Hygieneprodukte und die Ausstattung von Notunterkünften.

 

Haben Sie irgendwelche Signale von russischen Lutheranern bekommen?
Nur ganz spärliche. Das waren meistens private Mitleids- und Betroffenheitsbekundungen und Versicherungen, dass man für uns bete. Russische Lutheraner können nicht öffentlich die Flagge zeigen, sonst müssten sie mit Repressionen rechnen. Wahrscheinlich ist es aber auch so, dass die meisten Schweigenden unter dem Einfluss der Regierungspropaganda stehen. 

 

Was werden Sie in den nächsten Stunden und Tagen tun?
Das Übliche. Ich werde mit Menschen sprechen und versuchen, sie zu trösten und ihnen zuzuhören. Ich werde auch mit ihnen beten und notfalls auch beim Transport von Lebensmitteln nach Kharkiv aushelfen. Hinzu kommen noch Hausbesuche von meinen Gemeindemitgliedern. Mit den meisten Menschen haben wir einen guten Kontakt durch die Mitglieder des Kirchengemeinderates. Ich werde mich auch darum bemühen, mich mit unseren anderen Gemeinden und Freunden in der Ukraine und im Ausland auszutauschen. Kurz gesagt: ich werde nichts Großes leisten. Ich werde einfach helfen, soweit ich kann.

 

Das Gespräch wurde am 25.02.2022 gegen 21 Uhr durchgeführt. Die Krisenlage in der Ukraine verändert sich ständig.

 

Der Martin-Luther-Bund unterstützt, soweit es geht, die kleinen Gemeinden der DELKU bei der Beschaffung von Lebensmittelpaketen, Medikamenten und humanitärer Hilfe. Am letzten Sonntag (27. Februar) hat die Stadtkirchengemeinde in Tartu (Estland) 2000,– Euro gesammelt und bereits an die Diakonie der DELKU in Charkiv überwiesen. Stark engagieren sich auch die lutherischen Kirchen in den Nachbarländern mit ihrer Diakonie, in Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Ungarn und in Polen.  Der Leitende Bischof des Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Jerzy Samiec, hat einen Aufruf an die Gemeinden gestartet zur Aufnahme von Flüchtlingen. Innerhalb der Ukraine werden Fahrten und der Einkauf humanitärer Güter je nach örtlicher Lage schwieriger. An den Grenzen bestehen bereits lange Schlangen.

 

Spenden bitte an:
Martin-Luther-Bund e.V.
DE60 7635 0000 0000 0123 04
Sparkasse Erlangen
BIC: BYLA DE M1ERH
Stichwort: Nothilfe DELKU Ukraine  

 

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