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Aktuelle Meldung



02.02.2011 - Kategorie: Beiträge zur Geschichte, ELKRAS

VERLAG: Beiträge 7: Anton Friedrich Büsching: Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinen im Rußischen Reich




Beiträge zur Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche Russlands,

Bd. 7

 

Eingeleitet und kommentiert von Helmut Tschoerner

 

Herausgegeben von Edmund Ratz

 

2011, 338 Seiten, kartoniert, EUR 23,–

ISBN: 978-3-87513-169-7

 

Nicht mehr über den Buchhandel lieferbar.

Bitte fragen Sie bei Interesse direkt beim Verlag nach.



Hier finden Sie das » Inhaltsverzeichnis.

 

 

Anton Friedrich Büsching (1724–1793) gehört ohne Zweifel zu den bedeutenden Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts, die im Zeitalter der Aufklärung durch ihr literarisches und wissenschaftliches Werk das kulturelle und geistige Leben in Deutschland weit über ihre eigene Zeit hinaus mitgeprägt haben. Der Autor des Buches, das hier nach über 240 Jahren erstmals wieder einer interessierten Leserschaft vorgelegt wird, war ein Zeitgenosse von Kant, Lessing, Lichtenberg, Gellert und Moses Mendelssohn – doch während diese illustren Namen aus jener Epoche noch heute bei vielen Menschen lebendig sind, man sich ihrer großen Leistungen dankbar erinnert und ihre Werke als Teil des nationalen kulturellen Erbes pflegt, sind Name und Werk von A. F. Büsching schon bald nach seinem Tode in den Hintergrund getreten, um am Ende fast ganz vergessen zu werden. … Dabei hat Büsching zu seinen Lebzeiten viel Anerkennung und Ruhm geerntet. Seine erstaunliche geistige Produktivität, abzulesen an der bedeutenden Zahl seiner Veröffentlichungen, seine bemerkenswerte Vielseitigkeit, die in profunden wissenschaftlichen Beiträgen auf unterschiedlichen Fachgebieten zutage getreten ist, seine Verbindung von theoretisch-wissenschaftlicher Arbeit mit praktisch-gesellschaftlicher Tätigkeit z.B. als langjähriger Schuldirektor und Schulreformer – all dies ist immer wieder von der Öffentlichkeit gebührend wahrgenommen und gewürdigt worden. Er galt in seiner Zeit als das Muster einer überragenden Persönlichkeit in Kirche, Wissenschaft und Pädagogik. Mit einer Neuauflage seiner Darstellung von den Anfängen der evangelisch-lutherischen Gemeinden in Russland soll auf diesen Mann und seinen wertvollen Beitrag für die Kirchengeschichte erneut aufmerksam gemacht werden.

 

Unter den vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen Büschings kommt dem vorliegenden Buch, der »Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinen im Rußischen Reich«, aus kirchengeschichtlicher Sicht besondere Bedeutung zu, denn es werden hier durch einen ausgewiesenen Historiker authentische Zeugnisse über die Entstehung erster evangelisch-lutherischer Gemeinden in der knapp sechzig Jahre vorher überhaupt erst gegründeten Stadt St. Petersburg zusammengetragen. Wir erhalten einen aus lebendiger Anschauung geschöpften Einblick in das innere Leben dieser vor wenigen Jahrzehnten entstandenen Gemeinden, Informationen über ihre Probleme in einer zunächst fremden Umwelt, über die führenden Persönlichkeiten, ­Laien wie Theologen, über erste Ansätze von Leitungsstrukturen – und vieles mehr. Der Autor des Buches hat während seines vierjährigen Dienstes als Gemeindepfarrer in dieser Stadt dies alles zusammengetragen – und mit ihm verfügbaren Nachrichten aus anderen fernliegenden Orten wie Moskau, Archangelsk und Astrachan verbunden.

 

Büschings Darstellungen sind von großer Nüchternheit geprägt; er ist bestrebt, ein reales Bild der Gemeinden in Russland zu vermitteln. Die Schwierigkeiten der ersten Jahre nach Gründung der Kirchgemeinden werden deutlich angesprochen. Unerfreuliche Dinge, die das Bild nach außen trüben, werden nicht ausgespart, sondern beim Namen genannt, so die vielen Streitigkeiten und Querelen zwischen den schwedischen und den finnischen Lutheranern in St. Petersburg, die schließlich zur Etablierung getrennter Gemeinden führen, oder die Versuche ungeeigneter Bewerber, sich mit unlauteren Mitteln eine Pfarrstelle zu erschleichen. Auch bedauerliche Skandale werden ungeschönt vor dem Leser ausgebreitet, um die Anfechtungen und Gefährdungen, die diese Gemeinden bedrohen, deutlich zu machen. Da wird aus Moskau von zwei Frauengruppen berichtet, die sich gegenseitig den Vortritt beim Besuch des Gottesdienstes streitig machen, wobei es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommt, die in der Öffentlichkeit Ärgernis erregen und zum Abriss der Kirche führen, oder es geht um den Vorfall in Astrachan, wo sich der Leiter einer Gesandtschaft aus Holstein durch die strenge Predigt des Pfarrers angegriffen fühlte und diesem daraufhin seine Kleider vom Leib reißen ließ, so dass der Geistliche »seine Amtsverrichtung […] in Schlafkleidung thun« musste.

 

Die heute in Russland lebenden lutherischen Gemeinden haben sicherlich Anlass genug, Anton Friedrich Büsching dankbar zu sein für den Eifer und die Gründlichkeit, mit denen er sich bemühte, die ersten Anfänge evangelisch-lutherischer Kirche in ihrem Land aufzuzeichnen – er hat dies sicherlich nicht nur für seine Zeitgenossen getan, sondern auch für die, die dieser Kirche und ihren Gemeinden in der Gegenwart dienen wollen. …

Helmut Tschoerner in der Einleitung

 

 

»Ein Lob des für die Neuvorlage des Buches Hauptverantwortlichen, H. Tschoemer, der sich schon mit seinen in derselben Reihe desselben Verlages vorgelegten verschiedenen Publikationen zum Luthertum in Russland, seinen Kirchenordnungen und Einrichtungen längst als Fachmann erwiesen hat, beschließe diese Vorstellung. Seine ›Editorische Vorbemerkung‹ (8), ›Einleitung‹ (9–25) und über die Publikation hin verstreuten Erläuterungen lassen wenige Wünsche offen. Ich stimme mit ihm auch darin überein, dass B.s Buch ›einen wesentlichen Beitrag für die Erforschung der Entstehungszeit evangelischer Gemeinden im Russischen Reich geleistet‹ hat und zugleich als bedeutende historische Quelle für alle gelten kann, die sich mit der Geschichte der heutigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland befassen möchten. Es […]verdient, füge ich hinzu, endlich, von den an der Geschichte Russlands im 18. Jh. Interessierten wie auch von den mit der Integration und seelsorgerischen Betreung von Russlanddeutschen hierzulande Befassten zur Kennmis genommen zu werden.«
Adolf Martin Ritter in der Theologischen Literaturzeitung 137 (2012)