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23.03.2015 - Kategorie: LD online

LD online: Gastfrei zu sein vergesst nicht, â€¦




… denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt (Hebräer 13,2)

 

80 Jahre Auslands- und Diasporatheologenheim

 

von Gerhard MĂĽller

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 1/2015



LD 1/2015

Das Haus heute – Bild: MLB

Die Bewohner des Hauses in der FahrstraĂźe 15 im Wintersemester 1935/36 – Bild: MLB

Der Beginn

 

Am 11. Oktober 1935 wurde das heute meist kurz »Theologenheim« genannte »Auslands- und Diasporatheologenheim« in der FahrstraĂźe 15 in Erlangen seiner Bestimmung ĂĽbergeben. Es tagte gerade die 52. Haupttagung des Martin-Luther-Bundes, und auch viele Gäste waren erschienen. 25 Studenten konnten dort unterkommen, vor allem solche aus dem Ausland und der Diaspora sollten es sein. Bei der Eröffnung sprach auch ein Student – und zwar aus Australien. Wenn das nicht modern war! Neben einem Ephorus gab es auch einen Studienleiter, der im Haus wohnte. Denn solchen Studenten, die der deutschen Sprache und Kultur nicht mächtig beziehungsweise kundig waren, sollte geholfen werden. Von Anfang an waren Morgenandachten und wöchentliche Vortrags- und Diskussionsabende während der Vorlesungszeiten vorgesehen. Erster Ephorus war der damalige »Bundesleiter« (wie damals der Präsident des Martin-Luther-Bundes genannt wurde) Professor D. Dr. Friedrich Ulmer von der Erlanger Theologischen Fakultät. Das blieb auch so unter seinen Nachfolgern Pfarrer Dr. Karl Cramer und Oberkirchenrat D. Thomas Breit.

 

Im Wintersemester 1933/34 waren 661 Studierende an der Erlanger Theologischen Fakultät eingeschrieben. Bei insgesamt etwa 2200 Studierenden waren dies 30 Prozent, also mehr als jeder vierte! Dies kam daher, dass damals in Bayern nur in Erlangen evangelische Theologie studiert werden konnte. Zum anderen gab es viele Lutheraner, die aus der ganzen Welt kamen, um gerade hier zu lernen. Neben der Theologischen Fakultät in Leipzig galt nämlich diejenige in Erlangen als ausgesprochen lutherisch und kirchlich. Besonders aus Ost- und SĂĽdosteuropa kamen aber auch viele aus der Diaspora, weil ihre Ausbildungsstätten klein waren oder es gar keine gab.

 

Die starke Entfaltung, die deutsch-christliche Professoren an vielen anderen theologischen Fakultäten in Deutschland 1935 erreicht hatten – etwa in Jena –, fĂĽhrte aber auch dazu, dass Studierende, die sich der Bekennenden Kirche zugewandt hatten, in Erlangen studierten. Sie vermochten zwischen den verschiedenen Fakultäten durchaus zu unterscheiden und zu gewichten (was bei manchen Ă„uĂźerungen heutzutage nicht geschieht, die den engen Raum nicht beachten, in dem sich die theologischen Fakultäten 1933 bis 1945 bewegen mussten). Hermann Sasse etwa galt bei den Erlanger Theologiestudierenden, die sich der Bekennenden Kirche angeschlossen hatten, als einer, auf den theologisch wie politisch gehört werden konnte. Deswegen blieb die Zahl der in Erlangen Evangelische Theologie Studierenden bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges groĂź – zum Ă„rger des nationalsozialistischen Rektors der Universität, dem die Widerspenstigkeit vieler dieser Leute nicht verborgen geblieben war. Auch Ausländer blieben 1935 bis 1939 nicht aus. Von der Eröffnung des Theologenheims bis einschlieĂźlich zum Sommersemester 1939 wohnten 76 Studierende aus der Tschechoslowakei, Ă–sterreich, den Vereinigten Staaten von Amerika, Rumänien, Kanada, Jugoslawien, der Sowjetunion und anderen Ländern in der FahrstraĂźe.

 

Der Krieg und seine Folgen

 

Rasch nach dem Beginn des Krieges am 1. September 1939 wurde das Heim beschlagnahmt. Von 1940 bis 1945 diente es deutschen Truppen, danach den Amerikanern als Hilfslazarett. Aber schon 1946 wurde es Unterkunft fĂĽr das NĂĽrnberger Predigerseminar, das im Krieg zerstört worden war. Dies dauerte bis 1948. In den folgenden Jahren wohnten bis 1955 wieder insgesamt 145 Studierende aus 18 verschiedenen Ländern im Haus. Die am Anfang festgelegte Struktur wurde aufrechterhalten. Allerdings wurde ab 1956 das Ephorat nicht mehr mit dem Posten des Bundesleiters vereinigt. Es gelang nämlich, in diesem Jahr Professor D. Dr. Wilhelm Maurer fĂĽr diese Aufgabe zu gewinnen. Er hat in seiner väterlichen und zuverlässigen Art bis 1973 wissenschaftlich mit den Studierenden gearbeitet und sich ihrer auch persönlich angenommen. Erst das Nachlassen seiner Kräfte lieĂź ihn dieses geliebte Amt aufgeben. Auch die späteren Bundesleiter beziehungsweise Präsidenten zogen es vor, von in Erlangen wohnenden Personen die theologische und seelsorgerliche Begleitung der Studierenden zu erbitten.

 

Veränderungen

 

Der Kalte Krieg, der schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausbrach, hat die starken Verbindungen von Ost- und Südosteuropa nach Erlangen fast zum Erliegen gebracht. Kandidaten aus Siebenbürgen kamen kaum mehr. Denn manche von ihnen hatten es vorgezogen, nicht nach Rumänien zurückzukehren. Das gefährdete aber die pastorale Versorgung der dortigen Gemeinden. Eigene Ausbildungsstätten wurden ausgebaut, etwa in Polen. Ukrainern und Russen blieb der Weg nach Westen verschlossen. Die evangelisch-lutherische Kirche dort galt als ausgelöscht. Auch die Kenntnis der deutschen Sprache hatte stark abgenommen, etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Sprache derer, mit denen Krieg geführt worden war, war verpönt. Selbst im Osten Europas ging das Deutsche stark zurück, von seinem Norden ganz zu schweigen, wo rasch das Englische als Weltsprache erkannt und vorgezogen worden war.

 

Frauen waren zu jener Zeit nicht als Studierende im Heim. Das lag daran, dass die Zahl der weiblichen Studierenden generell gering war. Besonders für die evangelische Theologie galt das, weil das Pfarramt bis in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein Männern vorbehalten blieb. Aber der Ehrlichkeit halber sei gesagt, dass bereits Ende der fünfziger Jahre drei amerikanische Pfarrer im Haus wohnten, von denen zwei verheiratet waren. Die Ehepaare wohnten selbstverständlich gemeinsam im Haus.

 

Die Zahl der Studentinnen, die Evangelische Theologie studierten, nahm rasch zu und übersteigt heute die ihrer männlichen Kollegen. Seit den siebziger Jahren, als die Ordination von Frauen auch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern eingeführt worden war, sind dann auch Studentinnen hier eingezogen. Sie haben sich bestens in die bestehenden Strukturen eingefunden und die Gemeinschaft erheblich bereichert und belebt.

 

Zwar gibt es immer noch Studenten aus der Diaspora Europas. Aber im Verhältnis zu früher hat ihre Zahl stark abgenommen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass aus der Theologischen Fakultät ein Fachbereich innerhalb der Philosophischen Fakultät geworden ist. Dieser besitzt aber weiter das Recht zur Abnahme von Exa­mina und zur Verleihung der theologischen Doktorwürde.

 

Aufgaben

 

Das Haus wurde am 1. Januar 1935 dem Evangelischen Arbeiterverein Erlangen abgekauft, war also nicht neu. Schon vor Eröffnung im Oktober 1935 mussten Renovierungsarbeiten durchgefĂĽhrt werden. 1959 folgten weitere, die eine zeitweilige SchlieĂźung des Hauses erforderten. Am Ende des letzten Jahrtausends wurden weitere Arbeiten durchgefĂĽhrt. Das Haus besitzt zurzeit 18 Heimplätze. Das ist eine zu geringe Zahl, als dass es wirtschaftlich akzeptabel gefĂĽhrt werden könnte. Hinzu kommen zwar 23 weitere Zimmer im St. Thomasheim. Aber auch die Gesamtzahl von 41 bleibt in finanzieller Hinsicht zu gering. Zurzeit wohnen 21 Theologiestudierende in den Häusern, davon sieben aus der Diaspora und vier orthodoxe, fĂĽr die 1984 eine eigene Kapelle im St. Thomasheim festlich geweiht worden war. Mit 41 Bewohnern und Bewohnerinnen sind beide Häuser voll vermietet. Aber die Erwartungshaltung vieler Studierender gegenĂĽber derjenigen vor 80 Jahren ist erheblich gestiegen. Zwar gibt es Internet-Anschluss, aber anderes mĂĽsste im Theologenheim modernisiert werden. Jedoch: woher nehmen und nicht stehlen? Auch ist die Erwartung auf Gemeinschaft zurĂĽckgegangen, die in einem so kleinen Ensemble möglich ist. Viele Studierende suchen heute ganz pragmatisch nur eine Bleibe. Jedoch gibt es bisher genĂĽgend Nachfrage. 1935 hatte Bundesleiter Ulmer das Haus zum Mittelpunkt der Arbeit des Martin-Luther-Bundes gemacht. Inzwischen sind ganz neue Aufgaben hinzugetreten – wie Gemeinde-Projekte in Diasporagebieten oder das Sendschriftenhilfswerk, das nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegrĂĽndet wurde und wichtige Aufgaben fĂĽr Institutionen wie fĂĽr Einzelpersonen ĂĽbernommen hat. Das Theologenheim braucht deswegen ein Engagement vieler Gönner, wenn es denn weiterhin und auf Dauer den Anforderungen in unserer Zeit gerecht werden soll.

 

Dr. Gerhard MĂĽller, D.D., war Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Braunschweig, Professor fĂĽr Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der FAU Erlangen-NĂĽrnberg und lange Jahre stellvertretender Präsident des MLB sowie von 1973 bis 1979 Ephorus im Theologenheim des MLB.

 

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 1/2015. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten – etwa ein Interview mit dem scheidenden Erzbischof der lettischen Lutheraner im Ausland, Elmārs Ernsts Rozītis, ĂĽber die Kindertagesstätte »Katharine von Bora« in Blumenau in Brasilien, ĂĽber das wieder eröffnete Kinderheim in Săcele in Rumänien oder eine Besuchsreise in Baschkortostan â€“, dann bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.

 

» Die Zentralstelle des Martin-Luther-Bundes in Erlangen (GoogleMaps)