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Aktuelle Meldung



01.03.2012 - Kategorie: ELKRAS, LD online

LD online: Sie machen mich lebendig!




Der diakonische Besuchs- und Seelsorgedienst an AIDS-Kranken und ihren Angehörigen in St. Petersburg

 

von Jelena Kurmyshova

 

Auszug aus dem Lutherischen Dienst 1/2012



LD 1/2012

Jelena Kurmyshova mit einer Krankenschwester des Botkin-Krankenhauses – Bild: Elisabeth Hintz

Die zwei Seiten einer Großstadt wie St. Petersburg: die prachtvolle â€¦ (Bild: MLB)

… und die weniger prachtvolle wie hier der Eingangsbereich der Klinik, in der Jelena Kurmyshova arbeitet. – Bild: Elisabeth Hintz

Die Evangelisch-Lutherische Kirche organisiert einen seelsorgerlichen und diakonischen Dienst an AIDS-Kranken in St. Petersburg. Verantwortlich für diese Tätigkeit ist Jelena Kurmyshova. Die Auszüge aus ihrem Bericht sollen zeigen, worum es konkret geht und warum die Unterstützung ihres Dienstes so wichtig ist:

 

Gespräch mit einer Mutter:

Ich mache mich mit den Eltern von schwerkranken jungen Menschen bekannt und halte nach Möglichkeit den Kontakt. Die Gespräche ähneln sich und lauten etwa so:
»Wissen Sie, Ihr Sohn interessiert sich sehr für die Bibel und betet oft.«
»Na ja, dieses Interesse von ihm hat erst im Krankenhaus begonnen.«
»Haben Sie denn früher mit ihm über dieses Thema gesprochen?«
»Ach woher! Wir haben gelebt, ohne etwas davon zu wissen, es galt als etwas Schlechtes, mein Mann und ich haben unser ganzes Leben gearbeitet und nirgends gehört, dass jemand mit seinen Kindern über Gott redet.«
»Na ja, und jetzt, wo sich schon alles ändert und Ihr Sohn auch schon bedauert, dass er früher nichts von Gott wusste, wie ist es da mit Ihnen? Was halten Sie davon?«
»Ich denke, er ist selber schuld, dass er angefangen hat, Drogen zu nehmen. Mein Mann und ich haben gearbeitet und hatten keine Zeit, auf ihn aufzupassen. Und was den Glauben angeht – das verstehe ich nicht, keiner hat mich je glauben gelehrt, und ich kann das nicht lernen, dafür ist es zu spät, das muss man von klein auf lernen.«
»Es ist noch nicht zu spät, Sie sind ja heute hier und Ihr Sohn ist bei Ihnen, es ist nicht zu spät für Sie und Ihren Sohn …«
»Ich versuche ja auch, alles richtig zu machen – ich gehe manchmal in die Kirche, stelle eine Kerze auf, gebe eine Fürbittenandacht in Auftrag. Was soll ich denn noch tun?«
»Pavel wartet immer sehr auf Sie und sagt, dass er Ihnen unbedingt etwas Wichtiges sagen will, aber er bekommt es nie hin … Sitzen Sie einfach schweigend neben ihm, hören Sie ihm zu; er möchte, dass Sie bei ihm sind und ihn umarmen, mehr als alles andere … Sprechen Sie mit ihm über Gott … Bitten Sie einander um Vergebung.«
Nach einigen Wochen starb Pavel, er war 26 Jahre alt.


Drei Jahre im Krankenhaus

Denis (33) liegt schon drei Jahre im Krankenhaus. Er steht auf der Warteliste für die Überführung in eine Pflegeeinrichtung. Er kann nicht selber gehen, da der Oberschenkelhals gebrochen ist. Bisher wird ihm keine Operation versprochen, da diese sehr teuer wäre. Er hat Wehrdienst in Tschetschenien geleistet und erzählt oft von diesem Krieg.

Als ich ihm erzählte, dass das Geld für meine Arbeit aus Deutschland kommt, wunderte sich Denis sehr und sagt: »Sie können mich fotografieren und allen Deutschen in meinem Namen herzlichen Dank sagen, denn ohne Ihre Anwesenheit und Fürsorge könnte ich mir nur schwer vorstellen, wie ich mich diese ganze lange Zeit hier im Krankenhaus gefühlt hätte; Sie und Françoise machen mich mit Ihrer Anwesenheit lebendiger!«

Denis und ich ließen uns bei einem Spaziergang fotografieren, aber ihm war anzusehen, dass das nicht der beste Moment seines Lebens war, der auf dem Foto verewigt wurde; ich denke, er würde gerne allen danken, wenn er etwas besser aussieht. Aber er hat bewusst diese Anstrengung unternommen – aus Dankbarkeit.


Meine Sorge

Zu unserem großen Leidwesen wird die Hospizstation im Botkin-Krankenhaus, das sich in der Bumazhnaja-Straße befindet, zur Zeit gründlich renoviert, weswegen viele Patienten in andere Krankenhäuser oder auf andere Stationen überführt wurden.

Aber das Schlimmste ist, dass die Kapelle, in der wir Gottesdienste für die Kranken abgehalten und alle mögliche Literatur aufbewahrt haben, jetzt zu einem Krankenzimmer umgewandelt werden soll. Es wurde beschlossen, die Kapelle aus der Station herauszuverlegen; es wird geplant, sie in einem Nebenbau einzurichten. Das macht ihren Besuch für die Patienten unbequem oder gar völlig unmöglich, besonders in der kalten Jahreszeit.


Danke

Ich bin allen meinen Freunden aus Ansbach und Pastor Norbert Hintz aus Tarmstedt, wo ich mein Praktikum gemacht habe, sehr dankbar. Diese Erfahrungen sind für mich wie ein offenes Buch, wie eine Anleitung, die ich immer noch mit Interesse lese und benutze. Zur Fortbildung würde ich gern ein Seminar über Psychologie und Seelsorge besuchen.

 

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 1/2012. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten, z.B. über einen Besuch bei den Lutheranern in Moldawien, über die Situation der lutherischen Kirche in Sibirien, über den »Berg der Kreuze« in Litauen oder die Frage, warum es zwei lutherische Kirchen in Rumänien gibt, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.