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22.10.2010 - Kategorie: LD online

LD online: Eine starke Botschaft




Interview mit Martin Junge, dem neuen LWB-Generalsekretär

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 4/2010



LD 4/2010

Martin Junge wird das Amt des LWB-Generalsekretärs am 1. November 2010 von Dr. Ishmael Noko übernehmen. – Foto: LWB

Vom 20. bis 27. Juli fand in Stuttgart die Elfte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) statt. Ãœber 400 Delegierte wählten einen neuen Rat, beschlossen Resolutionen und eine Botschaft und verabschiedeten Generalsekretär Dr. Ishmael Noko. Sein Nachfolger, Pfarrer Martin Junge, Sohn einer österreichischen Mutter und eines chilenischen Vaters, wird das Amt des Generalsekretärs zum 1. November übernehmen. Für das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) blickt er auf einige Herausforderungen des LWB.

 

Herr Junge, die Vollversammlung tagte in diesem Jahr in Stuttgart. Wie haben Sie Stuttgart und Deutschland als Gastgeber erlebt?

Nicht nur ich, sondern auch die Delegierten und Gäste der Vollversammlung sind beeindruckt von der Gastfreundschaft der gastgebenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die vielen gemeinsamen Gottesdienste in und um Stuttgart, die Begegnungen mit offenen, interessierten Menschen, aber auch die wichtige Präsentation der Kirche durch die Kirche selbst mit der expliziten Erwähnung des Stuttgarter Schuldbekenntnisses – all das hat einen bleibenden, positiven Eindruck hinterlassen. Das Deutsche Nationalkomitee und die Evangelische Landeskirche in Württemberg waren hervorragende Gastgeber!

 

Der LWB versammelt sehr unterschiedliche lutherische Kirchen unter einem Dach. Wie bewerten Sie diese Unterschiede?

Der Anblick der Unterschiedlichkeit der LWB-Mitgliedskirchen erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit Gott gegenüber. Die Reformation des 16. Jahrhunderts ist mittlerweile eine Weltbürgerin! Ãœberall auf der Welt haben lutherische Kirchen Fuß gefasst und haben zum Teil bedeutende Inkulturationsprozesse durchlaufen. Die weltweite lutherische Gemeinschaft ist bunt geworden, wie Gottes Welt im Ganzen bunt ist. Für mich ist das ein eindeutiges Zeichen der liebenden und schützenden Fürsorge Gottes für sein Volk.

 

Ein Konflikt besteht um die Frauenordination. Manche LWB-Kirchen ordinieren keine Frauen; Sie hatten eine Pastorin als Mentorin. Wie werden Sie mit diesem Problem umgehen?

Ich denke, der LWB hat in der Frage der Frauenordination eine klare Richtung beschlossen, die übrigens in Stuttgart erneut bekräftigt wurde: Der LWB begrüßt die Frauenordination und sieht sie als ein erstrebenswertes Ziel an. Das ist die Richtung, in die sich die LWB-Mitgliedskirchen gemeinsam bewegen wollen. Allerdings nicht in einer Weise, in der interne theologische und kulturelle Reifungsprozesse der jeweiligen Mitgliedskirchen aus den Angeln gehoben werden. Das LWB-Missionsdokument »Mission im Kontext« legt einen großen Wert auf den Begriff der Begleitung. Dieser Begriff prägt auch das Miteinander der Kirchen im LWB. Begleitung heißt Ermutigung, Dialog und Austausch.

In letzter Zeit haben einige Kirchen, die noch vor wenigen Jahren große Schwierigkeiten mit diesem Thema hatten, Frauen zur Ordination zugelassen. Wir erleben immer wieder, dass allein die Tatsache, dass das Thema Frauenordination angesprochen wird, oder zum Beispiel auch der Empfang einer Pastorin als Gastpredigerin in einer Kirche, die keine Frauen ordiniert, wichtige Freiräume herstellt. Dies zu ermöglichen wird weiterhin eine Rolle des LWB sein.

 

Wie sehen Sie die Rolle der Minderheitskirchen, z.B. in Osteuropa, im LWB?

Ich komme selbst aus einer Minderheitskirche. Dort habe ich erlebt, dass es oftmals nicht allein auf die Mitgliederzahl einer Kirche ankommt, um wahrgenommen und beachtet zu werden. Es geht um den Beitrag, den eine Kirche in ihrer jeweiligen Gesellschaft leistet. Wenn ich an die Kirchen in Osteuropa denke, an ihre Widerstandsfähigkeit in Zeiten härtester Bedingungen, an die Substanz, die sie in dieser Zeit aufgebaut haben, aber auch an die Rolle, die sie heute übernehmen, zum Beispiel im Aufbau diakonischer Einrichtungen, dann kann ich nur sagen: Ihr Zeugnis weist weit über ihre eigenen Grenzen hinaus. Diese Kirchen haben wichtige Erfahrungen, eigenes Wissen und Können, das für andere Kirchen im LWB von großer Bedeutung ist. Es gibt keine Kirche, die zu klein ist, um nicht auch andere Kirchen zu beschenken; und es gibt keine Kirche, die so groß und mächtig ist, dass sie sich nicht beschenken lassen müsste. Darum ist es für mich wichtig, dass sich Kirchen in Minderheitssituationen aktiv am Leben des LWB beteiligen. Sie sind eine Bereicherung.

 

In der Botschaft und den Resolutionen der Vollversammlung werden fast alle Probleme der Welt angesprochen. Was ist für Sie die Hauptbotschaft von Stuttgart?

Es stimmt sicherlich, dass die Resolutionen wieder viele Probleme der Welt benennen. Ich sehe die organisatorischen Probleme, die damit einhergehen. Zugleich sehe ich aber mit großer Freude, dass sich die LWB-Mitgliedskirchen nicht von der Welt und ihren Nöten abwenden wollen und sich lediglich ihren internen Angelegenheiten und eigenen Themen widmen wollen. Der LWB bleibt seinem diakonischen Profil treu, und das ist auch gut so.

Wenn man sich zugleich in Erinnerung ruft, wie unmissverständlich die Vollversammlung deutlich gemacht hat, dass der LWB weiterhin seine ökumenische Berufung zum Ausdruck bringen will, dann wird deutlich, dass sich der LWB einer doppelten Verantwortung verpflichtet weiß: einer Verantwortung für die Welt und einer Verantwortung für die Kirche. Für mich ist das eine sehr starke Botschaft in der heutigen Zeit.

 

Wo sehen Sie den LWB 2017?

Der LWB und seine Mitgliedskirchen werden im Jahr 2017 das fünfhundertste Jubiläum der lutherischen Reformation begehen. Bei der Gelegenheit werden wir sicherlich untereinander, aber auch ökumenisch ins Gespräch kommen, um die Entwicklungen nachzuzeichnen, die die lutherische Reformation in fünf Jahrhunderten durchgemacht hat.

Ich erhoffe mir einen LWB, der sein Verständnis, eine Gemeinschaft von Kirchen zu sein, weiter vertieft hat und der sich weiter an die Aufgabe herangewagt hat, diesem Verständnis einen praktischen Ausdruck zu verleihen. Dabei erhoffe ich mir insbesondere zwei Dinge: dass der LWB zu einem polyzentrischen Selbstverständnis gelangt, durch das er sich als ein System versteht, das nicht auf ein wie auch immer definiertes Zentrum bezogen ist, sondern die Chancen seiner vielen Zentren als Bereicherung versteht. Und ich erhoffe mir einen LWB, der weitere Kompetenzen im transkontextuellen theologischen und kulturellen Dialog erlangt hat. All dies jedoch nicht in weltentrückter Art, sondern weiterhin der Welt und ihren Nöten aktiv zugewandt.

 

Weitere Eindrücke zur Vollversammlung des LWB, ihre Botschaft und Resolutionen finden Sie auf der Â» Homepage des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes. Beim DNK können Sie auch ein Dokumentationsheft zur Vollversammlung kostenfrei bestellen.

 

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 4/2010. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten, z.B. über die Geschichte der lutherischen Gemeinde in Wladiwostok, die Jubiläen der Schlesischen Diakonie (20 Jahre) und von »Evanjelický posol«, der slowakischen Kirchenzeitung (100 Jahre), über lebendige Gemeinden hinter dem Ural oder die Wechselwirkungen zwischen einer kleinen deutschen Gemeinde – am Beispiel Wilstedt – und der weltweiten lutherischen Kirche, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.