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Aktuelle Meldung



08.04.2009 - Kategorie: Aktuelles (Startseite)

Ein OstergruĂź




Liebe Freunde unserer Arbeit im Martin-Luther-Bund,

 

in diesem Jahr soll Sie alle der folgende GruĂź zur Karwoche und zum Osterfest auf unserer Homepage erreichen. Er wurde von Dr. Anton Tikhomirov geschrieben, dem Rektor des Theologischen Seminars der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten. Seinem so tiefsinnigen GruĂź zu den kommenden Tagen schlieĂźen wir uns an – und machen ihn zu unserem eigenen GruĂź: Der Martin-Luther-Bund wĂĽnscht Ihnen Gottes Segen fĂĽr die Tage des GrĂĽndonnerstag, des Karfreitag, des Karsamstag, des Ostersonntag und der ganzen Osterzeit!



GRUSS ZUR KARWOCHE UND OSTERN 2009

 

 

Ein Mann erzählt vom Tod seiner Frau. Sie war schon älter, aber noch keineswegs alt, eine energische und lebensfrohe Frau. Nach einem plötzlichen Krankheitsanfall wurde sie direkt aus ihrem Schrebergarten ins Krankenhaus gefahren. Und dort zehrte die Krankheit sie innerhalb weniger Tage buchstäblich auf. Am Morgen des dritten oder vierten Tages kam ihr Mann zum Krankenhaus, um seine Gattin wieder zu besuchen (am Vorabend hatten die Ă„rzte gesagt, ihr Zustand hätte sich ein wenig gebessert) â€¦

 

 

Mit Blumen und Mitbringseln (Obst und Saft) in den Händen kam er ins Krankenzimmer. Und das erste, was er sah, war ihr leeres Bett. Es war schon abgezogen und mit frischer Bettwäsche bezogen.

 

 

In den paar Sekunden, in denen sein Verstand gegen das Unausweichliche ankämpfte, schossen ihm Tausende von Gedanken durch den Kopf, Tausende der verschiedensten Erklärungen: Sie sei auf die Intensivstation oder im Gegenteil in ein Zimmer fĂĽr weniger schwer Kranke verlegt worden â€¦ Jede Erklärung hatte sogar etwas Glaubhaftes an sich – er wäre sogar beinahe losgerannt und hätte eine Schwester oder einen Arzt gerufen, um zu fragen, was passiert war, aber … er konnte sich einfach nicht von der Stelle rĂĽhren. In seinem inneren Hin und Her konnte er seinen Blick nicht abwenden von diesem leeren Bett, bis er allmählich die Bedeutung des Geschehenen begriff.

 

 

Erst danach fing er die mitfĂĽhlenden Blicke der anderen Kranken auf, die in diesem Zimmer lagen â€¦

 

 

Ein leeres Bett. Noch vor kurzem, vor ein paar Stunden hatte seine Frau darin gelegen. Sie hatte geatmet, gesprochen, gegessen und getrunken und sogar versucht zu scherzen. Jetzt war dort stattdessen frisch bezogene, unpersönliche Leere â€¦

 

 

Sie ist nicht hier. Und es hat keinen Sinn, in der Klinik herumzulaufen, Ă„rzte am Arm zu fassen und die Tote bei den Lebendigen zu suchen. Sie ist nicht mehr hier. Ihr Bett ist leer.

 

 

Viele haben wohl schon manche sehr ähnliche Geschichte gehört. Diese Erfahrung ist vielen bekannt. Man kommt ins Krankenhaus zu seinem schwerkranken Verwandten oder Freund, und statt seiner erwartet einen sein leeres Bett â€¦

 

 

Diese Leere spricht fĂĽr sich selber, ertönt als endgĂĽltiges Urteil, das zu glauben so schwer ist, aber gegen das man keine Berufung mehr einlegen und das man nicht rĂĽckgängig machen kann â€¦

 

 

Das leere Bett – ein Zeichen des Todes, das so viele kennen. Gellende, bittere Leere â€¦

 

 

***

 

 

Im Osterevangelium wird eine sehr ähnliche und dabei ganz andere Geschichte beschrieben.

 

 

Lukas 24,1–13:

 

»Aber am ersten Tage der Woche sehr früh kamen sie zum Grabe und trugen die Spezerei, die sie bereitet hatten, und etliche mit ihnen. Sie fanden aber den Stein abgewälzt von dem Grabe und gingen hinein und fanden den Leib des HERRN Jesu nicht. Und da sie darum bekümmert waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer mit glänzenden Kleidern. Und sie erschraken und schlugen ihre Angesichter nieder zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Gedenket daran, wie er euch sagte, da er noch in Galiläa war und sprach: Des Menschen Sohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen. Und sie gedachten an seine Worte. Und sie gingen wieder vom Grabe und verkündigten das alles den Elfen und den andern allen. Es war aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und andere mit ihnen, die solches den Aposteln sagten. Und es deuchten sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein, und sie glaubten ihnen nicht. Petrus aber stand auf und lief zum Grabe und bückte sich hinein und sah die leinenen Tücher allein liegen; und ging davon, und es nahm ihn wunder, wie es zuginge.«

 

 

»… und gingen hinein und fanden den Leib des HERRN Jesu nicht. Und da sie darum bekĂĽmmert waren â€¦Â«

 

 

Lasst uns nicht gleich mit dem Autor des Evangeliums vorwärts eilen, sondern ein wenig bei diesem BekĂĽmmertsein stehen bleiben. Was fĂĽr Gedanken sich in diesem Moment nicht alle in die Köpfe drängten, was fĂĽr GefĂĽhle nicht alle in den Herzen miteinander rangen! Verwirrung, Befremden, Bitterkeit, Furcht, seltsame Hoffnungen â€¦

 

 

Alles Übrige – die Engel, die Erinnerung an die alten Verheißungen – kommt etwas später. Jetzt hatten sie bloß das leere Grab vor sich.

 

 

Man kann sich eine Vielzahl von mehr oder weniger plausiblen Erklärungen überlegen, aber wer einmal das Krankenhausbett eines nahe stehenden Menschen leer vorgefunden hat, weiß, wovon ich spreche: Es war eine gellende Leere!

 

 

Und jemand, der weiĂź, was ein leeres Krankenhausbett ist, vernimmt sicher auch diesen anderen stummen Schrei: einen Schrei verlegener, erschreckter, verwirrter, aber unendlicher, jubelnder, unhaltbarer Freude! Er ist nicht hier. Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?

 

 

Das leere Bett, vor dem man in bitterer Verwirrung erstarrt, aus der Schmerz und Trauer erwachsen â€¦

 

 

Das leere Grab, das einen in tiefes Befremden stĂĽrzt, das sich in Hoffnung und Freude verwandelt â€¦

 

 

Auch wenn wir, wie die Frauen am Anfang der Erzählung, diese Freude, dieses Frohlocken noch nicht richtig spüren; wenn wir das im Moment noch schwer glauben und davon leben, es uns zu Herzen nehmen können. Auch wenn wir bis jetzt nur bekümmert und zweifelnd vor dem leeren Grab stehen. Aber irgendwo in der Tiefe unserer Seele erschallt doch schon ihr lautloser Schrei.

 

 

Tausende von Gedanken und Gefühlen können in uns durcheinander laufen, einander abwechseln, aber wie sollen wir den Blick von diesem leeren Grab abwenden? Wie sollten wir es hinbekommen, nicht auf dieses Begreifen zu hören, das allmählich, wenn auch vielleicht sehr, sehr langsam in uns wächst?

 

 

Zumindest wer schon einmal das Krankenhausbett eines nahe stehenden Menschen leer vorgefunden hat, kann auch die Osterfreude verstehen. Der Herr segne dieses unser Stehen vor dem Kreuz und dem leeren Grab Jesu Christi auch in diesem Jahr!

 

 

Anton Tikhomirov, Novosaratovka, 7. April 2009